Status: | Beschluss |
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Beschlossen am: | 23.07.2021 |
Basierend auf: | A7: Let’s talk about Gender - Der Weg zur gleichberechtigten Schule |
Let’s talk about Gender - Der Weg zur gleichberechtigten Schule
Beschlusstext
Bereits 1948 wurde in Paris von der Generalversammlung der Vereinten Nationen
mit der Erklärung der Menschenrechte ein Grundstein für die Gleichberechtigung
aller Menschen gelegt: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten
geboren.“ Heute, mehr als 50 Jahre später, konnten in Bezug auf die rechtliche
Gleichstellung von Frauen und Männern Fortschritte verzeichnet werden, dennoch
bestehen nach wie vor erhebliche Barrieren. Diesen Umstand zeigt etwa auch der
Gleichstellungsindex 2019 des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen,
der verdeutlicht, dass Gleichberechtigung in allen gesellschaftlichen,
politischen und wirtschaftlichen Bereichen immer noch langsam verläuft.
Insbesondere Frauen erfahren nach wie vor Benachteiligung im öffentlichen und
privaten Leben, arbeiten häufiger in Niedriglohnsektoren und sind vermehrt Opfer
psychischer, physischer und sexueller Gewalt.
Bildung als Motor für gesellschaftliche Entwicklung spielt in diesem
Zusammenhang eine bedeutsame Rolle – nur wenn bereits Kinder für
Geschlechtergerechtigkeit sensibilisiert werden, frei von Stereotypen und
Geschlechterklischees sowie ohne Tabus aufwachsen, kann das Ziel einer
gleichberechtigten Gesellschaft erreicht werden.
Im Folgenden präsentieren wir umsetzbare Forderungen, die die Schule zu einem
gerechten Ort – für alle Kinder – machen.
Unterricht - pädagogische Methodik
Den essentiellen Part, der es ermöglicht, mehr Gleichberechtigung und
Geschlechtersensibilität an österreichischen Schulen zu verankern, stellen, wie
bei zahlreichen anderen bildungspolitischen Phänomenen, die Lehrpersonen dar.
Häufig führt jedoch Unwissen über die Bedeutung geschlechtssensibler Sprache,
fehlende Reflexion und Desinteresse zu geringer Beachtung und Berücksichtigung
von Geschlechtssensibilität als Unterrichtsprinzip. Besonderer Fokus soll
hierbei auf die Anregung zur Selbstreflexion sowie die Auseinandersetzung mit
der eigenen Vergangenheit (Biografiearbeit) gelegt werden.
→ Wir fordern also, dass das didaktische Prinzip der Geschlechtssensibilität
vermehrt im Lehramtsstudium thematisiert wird und durch Fortbildungen zunehmend
Einzug in österreichische Klassenzimmer erhält.
Ziel einer reflektierten Haltung im Umgang mit Buben und Mädchen ist eine
differenzierte Beachtung dessen, was die Schülerin oder der Schüler unabhängig
von ihrer bzw. seiner Geschlechtszugehörigkeit zu ihrer bzw. seiner Entwicklung
braucht. Dabei geht es um die Ermöglichung gleicher Lern- und
Entwicklungschancen für beide Geschlechter.
Um echte Gleichberechtigung zu gewährleisten, braucht es neben einer umfassenden
Selbstreflexion zusätzlich die vermehrte Implementierung geschlechtergerechter
Sprache in den Schulalltag. Nach wie vor ist das generische Maskulinum die
mehrheitlich praktizierte und tolerierte Form, mit Buben und Mädchen zu
sprechen. Die Bedeutung der Sprache als wichtiges Medium bei der Vermittlung von
gesellschaftlichen Realitäten und Forderungen wird zum Beispiel im Bildungsplan
der Stadt Wien betont: “Für ein Bekenntnis zur Gleichstellung der Geschlechter
ist das gleichwertige und symmetrische Benennen der Frauen und Männer/Mädchen
und Buben wesentlich.” Die langjährige Beobachtung zeigt, dass in der Sprache
gesellschaftliche Norm- und Wertvorstellungen sowie Machtprinzipien zum Ausdruck
kommen. Was in einer Sprache nicht benannt wird, wofür es keine Ausdrücke gibt,
das hat auch keine Funktion in der Gesellschaft und damit keinen
gesellschaftlichen Wert.
→ Deshalb fordern wir einen verstärkten Fokus auf geschlechtssensible
Sprache, die alle Geschlechter symmetrisch und gleichwertig benennt, sowohl in
schriftlicher als auch gesprochener Form.
Weiters sollen Lehrpersonen dazu ermutigen, dass auch Schüler_innen
geschlechtssensible Sprache verwenden.
Eine geschlechtergerechte Sprache unterstreicht die Werte und Normen einer
demokratisch orientierten Gesellschaftsform. Wenn Frauen in der Sprache Präsenz
erhalten, wird dadurch das gesellschaftliche Bewusstsein verändert und die oft
zitierte Chancengerechtigkeit ein Stück mehr zur Realität.
Dennoch sollte die Geschlechtergerechtigkeit der Sprache nicht benotet werden.
Viel eher sollte es sich hier um eine grundsätzliche Sensibilisierung handeln.
Koedukativer Turnunterricht
Bei dem Turnunterricht mit Mädchen werden häufig nur “Mädchensportarten”
wie Volleyball, Völkerball etc. betrieben und bei dem Turnunterricht mit Buben
oft nur “Jungssportarten” wie Fußball etc. unterrichtet. Es gibt aber
natürlich viele Buben und Mädchen die gerne abwechslungsreich mit
verschiedensten Sportarten unterrichtet werden würden. “Jungssportarten”
können also durchaus auch von Mädchen gemacht werden und umgekehrt. Wenn man
also Mädchen ganz andere Sportarten machen lässt als Jungs, dann fördert das
Rollenklischees und passt eindeutig nicht ins 21. Jahrhundert. Es gibt Menschen
die sich nicht eindeutig mit einem Geschlecht identifizieren oder kein
eindeutiges Geschlecht haben. Für diese ist es dann auch noch schwieriger, bei
einem Sportunterricht zu sein, bei dem nur Jungs bzw. Mädchen sein dürfen. Die
Gefahr von Mobbing besteht noch einmal mehr für diese Personen. Jedoch gibt es
auch Situationen, in denen es sinnvoll ist, Geschlechter zu trennen. Man denke
an die unterschiedliche pubertäre Entwicklung und Körperwahrnehmung, welche
ebenso viele Problembereiche aufwirft. Daher sollte grundsätzlich ein
koedukativer Ansatz gewählt werden, jedoch kann ein schwarz-weiß-Denken auch
nicht die Lösung sein. Durch einen differenzierten Ansatz sollen Pädagoginnen
und Pädagogen den richtigen Ausgleich aller Interessen finden.
Im gemeinsamen Turnunterricht sollen auch zwei Lehrer_innen unterrichten. Beide
sollten nicht das gleiche Geschlecht haben, um allen Schüler_innen eine
Ansprechperson zu bieten.
→ Wir fordern daher, dass der Sportunterricht nicht mehr geschlechtergetrennt
abläuft, sondern dieser grundsätzlich koedukativ gestaltet wird. In gewissen
Situationen muss es jedoch differenzierte Ansätze geben, um auf alle Interessen
acht zu geben.
Gleichberechtigung im Lehrplan
Gleichberechtigung sollte aber nicht nur mehr in der Methodik aufgegriffen
werden, es braucht auch eine feste Verankerung im Lehrplan, so dass auch klar
gemacht werden kann, dass dieses Thema wirklich auch im Unterricht behandelt
werden muss. Denn schließlich müssen auch die Schüler_innen umfassenden
Unterricht zu diesem Thema erfahren. Gerade in Fächern, wie Geschichte gehen
weibliche Akteure oft unter. Um die Rolle der Frauen in der Geschichte den
SchülerInnen zu vermitteln, sollten auch weibliche Akteure Erwähnung finden
sowie die Frage behandelt werden, wie es dazu kommen konnte, dass die großen
Akteure der Geschichte oftmals Männer waren..
Auch die Geschichte des Feminismus wird im Regelunterricht von vielen
Lehrer_innen nicht behandelt, weshalb es hier auch eine klare Verankerung im
Lehrplan und in den Schulbüchern braucht. Nur so kann man garantieren, dass mehr
Frauen Einzug in den Geschichtsunterricht erhalten und so auch als Vorbilder für
jetzige Kinder und Jugendliche dienen können!
→ Deshalb fordern wir, eine grundsätzliche Verankerung der Geschichte des
Feminismus im Lehrplan und eine gleichberechtigtere Darstellung beider
Geschlechter in der Geschichte.
Neben dem Unterricht
Eine geschlechtergerechtere Schule findet ihre Verwirklichung aber nicht nur im
Unterricht. Es gilt allgemein ein Umfeld zu schaffen, in dem sich alle Menschen,
egal welchen Geschlechts, wohl fühlen. Ebenfalls braucht es ein Bewusstsein für
die Bedeutung von Geschlechtergerechtigkeit.
Menstruationsartikel zugänglich machen
Es erleichtert den Alltag von Schülerinnen enorm, wenn innerhalb der Schule
gratis Menstruationsartikel zur Verfügung gestellt werden. Hier gilt es auch dem
Shaming von Mädchen, die diese in Anspruch nehmen, entgegenzuwirken.
Das Argument der Verschwendung ist in diesem Kontext ein scheinheiliges, könnte
man es doch genauso gegen die freie Ausgabe von Klopapier am Schulklo verwenden.
Wir schlagen daher vor, dass Menstruationsartikel auf den Toiletten zur
Verfügung stehen. Sie nur bei der Schulärztin, oder dem Schularzt zur
Verfügung zu stellen, halten wir für eine zu große Hemmschwelle.
→ Wir fordern also frei entnehmbare Menstruationsartikel auf allen Toiletten
in Österreichs Schulen.
Antidiskriminierungsstelle
Allzu häufig kommt es noch immer zu sexistischen Bemerkungen von Lehrkräften
oder anderen Autoritätspersonen in der Schule. Um dieses Problem effizient
bekämpfen zu können, braucht es einen klaren Kanal, über den Beschwerden an eine
Stelle beim Bildungsministerium eingebracht werden können. Das soll
unkompliziert über eine Website zu erledigen sein, auf den Schutz der Identität
der oder des Beschwerdebringer_in sollte unbedingt geachtet werden, sowie
darauf, dass es zu keiner Vorverurteilung der oder des Beschuldigten kommt.
→ Wir fordern, die Ombudsstelle des Ministeriums an Schulen bekannter zu
machen, damit diese Ihre Aufgabe sinnvoll erfüllen kann.
Horizonte durch externe Seminare und Workshops öffnen
Unterricht kann vieles, aber eben nicht alles. Lehrkräfte können nicht
fachlich und didaktisch ausgezeichnet und zugleich Expert_innen in allen
möglichen gesellschaftlichen Fragen sein. Insbesondere aber können sie nicht
alles sein. Gerade hier kann es helfen, externe Personen in die Schulen
einzuladen.