Veranstaltung: | XXV. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | 6.1. Leitantrag des Bundesvorstands |
Status: | Beschluss |
Beschluss durch: | Buko XXV |
Beschlossen am: | 23.04.2022 |
Basierend auf: | LA: In Freiheit geeint - Unser Weg zu einem neuen europäischen Frieden! |
In Freiheit geeint - Unser Weg zu einem neuen europäischen Frieden!
Beschlusstext
Am 24. Februar 2022 überschritten erneut Truppen der Russischen Föderation die
Grenze zur Ukraine und brachten damit, nach über 20 Jahren des Friedens, wieder
großflächigen Krieg auf europäischen Boden. Dieser unprovozierte,
völkerrechtswidrige Angriffskrieg stellt eine neue Qualität russischer
Aggression in Europa dar. Der Versuch Putins, die Ukraine in der russischen
Einflusssphäre zu halten, scheiterte bisher jedocham Freiheitswillen des
ukrainischen Volkes, das sich, mit der Unterstützung seiner EU- & NATO-
Verbündeten, der russischen Brutalität entgegen stemmt - Ще не
вмерла України і слава, і воля!1 [als Fußnote
einfügen:] (Übersetzt auf Deutsch: Noch sind der Ukraine Ruhm und Freiheit
nicht gestorben!)
Der russische Völkermord in der Ukraine, direkt an unserer Außengrenze, hat
der europäischen Wertegemeinschaft die Fragilität des europäischen Friedens
vor Augen geführt. Wir müssen jetzt handeln, um den europäischen Frieden
wiederherzustellen und die Freiheit für kommende Generationen zu sichern!
Die Europäische Union darf sich in sicherheitspolitischen Fragen nicht mehr auf
die USA verlassen, sondern muss eine eigene Wehrfähigkeit aufbauen, um zu einer
wahren Verteidigungsunion und zu einem verlässlichen Partner unserer
Verbündeten zu werden.
Der Überfall auf die Ukraine hat der EU vor Augen geführt, wie schlecht diese
derzeit militärisch aufgestellt ist. Dafür gibt es allerdings keinen Grund.
2020 haben die EU-Mitgliedstaaten zusammen mehr als 374 Milliarden Euro in ihre
Verteidigung investiert.1 Damit liegt die Europäische Union nach den
Vereinigten Staaten an zweiter Stelle im internationalen Vergleich der
Verteidigungsetats. An Geld scheitert es also nicht, sondern am politischen
Willen. Die einzelnen militärischen Kräfte der Mitgliedstaaten müssen zu
einer gemeinsamen, schlagkräftigen EU-Berufsarmee gebündelt werden. Bis es
soweit ist, können aber jetzt schon viele Schritte gesetzt werden, um uns aus
unserer selbstverschuldeten, militärischen Unmündigkeit zu befreien.
Laut einer Erhebung von 2016 kamen in den verglichenen Kategorien in der
Europäischen Union 178 verschiedene Waffensysteme zum Einsatz. Diese hohe Zahl
an unterschiedlichen Typen ist teuer und erfordert ein komplexes, ineffizientes
Logistiksystem. Die USA mit einem doppelt so großen Verteidigungsetat hat im
Vergleich nur 30 Waffensysteme in den selben Kategorien.2
Wir Junge liberale NEOS - JUNOS sprechen uns daher für die Vereinheitlichung
von Beschaffung, Logistik und Ausbildung aus.
Durch die Vereinheitlichung der Waffensysteme können alle Soldat_innen
einheitlich ausgebildet und ein Verständnis für die gemeinsamen Systeme
geschaffen werden. In einer Vorstufe zur EU-Berufsarmee wird die
Kooperationsfähigkeit der nationalen Armeen und die effiziente Versorgung von
Verbündeten, wie eben der Ukraine, somit erleichtert und sichergestellt.
Eine wehrhafte Union fußt nicht nur auf einer leistungsfähigen Armee, sondern
auch auf stabilen geheimdienstlichen Strukturen. Im Vorfeld des russischen
Überfalls auf die Ukraine haben geheimdienstliche Aktionen russischer Akteure
innerhalb der EU zugenommen. Österreich ist dabei besonders gefährdet und
gilt, laut einem europäischen Geheimdienstbeamten, geradezu als
“Flugzeugträger” russischer, geheimdienstlicher Aktivitäten.3
Die Namensänderung des BVT in DSN reicht nicht: Der österreichische
Nachrichtendienst muss insgesamt neu gedacht und aufgebaut werden.4
In Österreich stehen derzeit nur jene geheimdienstliche Aktivitäten unter
Strafe, die sich nachteilig auf Österreich auswirken. Im Sinne der europäischen
Solidarität fordern wir eine Änderung des § 256 StGB dahingehend, dass auch
geheimdienstliche Aktivitäten von Drittstaaten unter Strafe gestellt werden, die
sich gegen die EU, EU-Institutionen oder andere EU-Mitgliedstaaten richten.
Langfristig müssen wir das Flickwerk an nationalen Nachrichtendiensten hinter
uns lassen und unsere Kräfte in einem europäischen Geheimdienst bündeln, der
klaren parlamentarischen Kontrollmechanismen unterworfen ist.
Um geheimdienstliche und propagandistische Aktivitäten Russlands in Österreich
zu erschweren, sprechen wir uns für die grundsätzliche Verringerung des
diplomatischen Personals der russischen Botschaft aus.5
Weiters fordern wir die Ausweisung russischer Diplomaten, die Desinformationen
über russische Kriegsverbrechen in der Ukraine streuen. Für die Zukunft
fordern wir zudem, dass die Bestellung von Kreml-Vertrauten als russische
Diplomaten in Österreich konsequent abgelehnt wird.6
Nicht nur in militärischer, sondern auch in Hinsicht auf die kritische
Infrastruktur hat sich die europäische Wertegemeinschaft verletzbar gemacht.
Viele Mitgliedstaaten, allen voran Österreich, sind in strategischen
Wirtschaftssektoren, wie z.B. dem Energiesektor, von den Importen fossiler
Brennstoffe aus autokratischen Regimen abhängig. Mit diesen Investitionen
erkaufen sich Diktatoren wie Wladimir Putin die Handlungsunfähigkeit der
Europäischen Union, wie in der langen Blockadehaltung Deutschlands,
Österreichs und Italiens im Ringen um wirksame Wirtschaftssanktionen deutlich
wurde.
Österreich bezog im Jahr 2021 51 % seiner Brennstoffe für den Energiesektor,
im Gegenwert von 7,09 Mrd. Euro, aus autoritären Regimen.7 Mehr als die Hälfte
davon, nämlich 4,33 Mrd. Euro, flossen an Russland und füllten dessen
Kriegskassen.
Die EU und Österreich müssen diese Abhängigkeit endlich überwinden und eine
Energieselbstversorgung aufbauen, um als Union außenpolitisch handlungsfähig
zu bleiben!
Wir Junge liberale NEOS - JUNOS bekräftigen unsere Forderung, den längst
überfälligen Ausbau von erneuerbaren Energien voranzutreiben, um nicht mehr
auf fossile Brennstoffe angewiesen zu sein.8
Der Umbau und die Erneuerung des europäischen Stromnetzes ist dafür nicht nur
eine Voraussetzung9, sondern auch aus sicherheitspolitischen Aspekten ein Gebot
der Stunde. Dies ist angesichts der zunehmenden Cyberattacken auf die
europäische Energie-Infrastruktur wichtig, da die Netze nicht mehr den modernen
Sicherheitsstandards entsprechen und daher anfällig auf (vorsätzliche)
Störaktionen sind.10
Um diese gewaltige Transformation zu gewährleisten, sprechen wir uns für den
mittelfristigen Weiterbetrieb von Kernkraftwerken in Europa aus, sofern sie den
strengen Sicherheitsstandards der IAEA entsprechen, regelmäßig kontrolliert und
saniert werden.
Die Ukraine zeigt, dass wahre Stärke aus dem Zusammenhalt erwächst und die
Demokratie und die Freiheit jeden Tag aufs neue verhandelt und verteidigt werden
müssen.
In der EU müssen wir unser Bekenntnis zum europäischen Zusammenhalt
wiederbeleben und ein neues Selbstverständnis unserer Rolle in der Welt
schaffen. Denn einen neuen europäischen Frieden kann es nur mit einem
vereinten, starken Europa geben: den Vereinigten Staaten von Europa.
Der Zusammenhalt und die Unerschütterlichkeit der Ukrainer_innen sollte der EU
als Vorbild dienen! Wir müssen jetzt handeln, wenn wir die EU von einer derzeit
losen, krisengebeutelten Konföderation von Staaten wieder auf den Weg zu einer
more perfect Union bringen wollen, die aktiv politisch gestaltet! Dafür braucht
es dringende Strukturreformen, die uns handlungsfähiger machen und die EU
näher zu ihren Bürger_innen bringt.
Die Vereinigten Staaten von Europa dürfen kein abgehobener, technokratischer
Zentralstaat sein, sondern eine lebendige, transparente und liberaldemokratische
Republik.
Die Bürger_innen müssen stärker in die Entscheidungsprozesse eingebunden
werden. Wir bekräftigen unsere Forderung nach einer Schaffung eines direkt
gewählten, europäischen Präsident_innenamtes und fordern, dass das
europäische Parlament mit einem Gesetzesinitiativrecht ausgestattet wird.12
Wir Junge liberale NEOS - JUNOS fordern weiters das Ende des
Einstimmigkeitsprinzips im Rat zugunsten einer qualifizierten Mehrheit. Denn
durch die Blockadehaltung einzelner Mitgliedstaaten wird ein schnelles und
dadurch effizientes Handeln der EU verhindert. Des Weiteren sprechen wir uns
für die Umwandlung der Position des Hohen Vertreters / der Hohen Vertreterin
für Außen- und Sicherheitspolitik in eine_n EU Außenminister_in mit
entsprechenden Kompetenzen aus.13
Die Vereinigten Staaten von Europa sind das mächtigste Wirtschaftsbündnis der
Welt und wir müssen uns dieser Stärke und der daraus erwachsenden
Verantwortung für Freiheit, Demokratie und Menschenrechte einzutreten, bewusst
werden! Nur durch ein aktives Gestalten unserer Außenpolitik können wir die
liberale Demokratie in Europa schützen und in nach Freiheit strebenden Ländern
fördern.
Soft Power vor Hard Power: Krieg darf nie das Mittel für die Erreichung dieser
Ziele sein und die neue militärische Stärke Europas muss immer defensiv
gedacht werden: Zum Schutz unser Verbündeten und von Zivilist_innen. Oberstes
Mittel für die Förderung von Demokratie bleibt die Kooperation auf ziviler
Ebene, durch wissenschaftliche Zusammenarbeit, kulturellen Austausch und enge
wirtschaftliche Verflechtung.
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat allerdings deutlich gemacht, dass die
wirtschaftliche Verflechtung alleine nichts nützt, wenn wir als Europa nicht
bereit sind den Schutz der Freiheit und der Menschenrechte als rote Linien der
freien ökonomischen Kooperation zu definieren und zu verteidigen.
Mit Blick auf die Ukraine sprechen wir uns daher für ein umgehendes Öl-, Gas-
und Kohleembargo gegen Russland aus, bis der völkerrechtswidrige Angriffskrieg
gegen die Ukraine beendet ist und russische Truppen aus allen ukrainischen
Gebieten abgezogen wurden. Auch wenn diese Sanktionen für die europäische
Wirtschaft nicht ohne (vertretbare) Folgen14 bleiben, können wir nur so der
Russischen Föderation die Mittel nehmen, diesen brutalen Krieg fortzusetzen.
Allerdings werden bloße Wirtschaftssanktionen wohl nicht ausreichen, um den
völkerrechtswidrigen Aggressionskrieg wirksam abzuwehren und andere tyrannische
Regime vom Überfall auf Demokratien abzuschrecken. Um die liberale Weltordnung
wirksam und dauerhaft zu verteidigen, ist eine deutliche militärische
Niederlage der Russländischen Föderation unumgänglich. Daher sprechen sich
die Jungen liberalen NEOS für die Lieferung von schweren Waffensystemen wie
Artillerie, Raketen, Kampfflugzeugen und Flugabwehrsystemen an die Ukraine aus.
Dabei ist es nicht nur notwendig, die Ukraine mit post-sowjetischen
Waffensystemen auszustatten, da diese naturgemäß nicht mehr in entsprechender
Stückzahl nachproduziert werden können. Es ist eine Notwendigkeit, dass schon
jetzt damit begonnen wird, moderne, westliche Waffensysteme an die ukrainischen
Streitkräfte zu liefern, um diesen genug Zeit zu geben, deren Bedienung zu
erlernen. Ebenso kann die Europäische Union an der Ausbildung von ukrainischen
Soldaten auf Unionsterritorium mitwirken.
Es ist des Weiteren nicht hinnehmbar, dass Russland als amtierendes ständiges
Mitglied des UN-Sicherheitsrates bis zum heutigen Tag jede Resolution zur
Verurteilung und Abstellung seines Angriffskrieges gegen die Ukraine blockiert.
Russlands Agieren stellt einen krassen Bruch der Grundsätze der UN-Charta dar.
Aus diesem Grund sollten Österreich und die weiteren Mitgliedsstaaten der
Europäischen Union die Initiative der Ukraine unterstützen, Russlands
Mitgliedschaft in der UN und folglich im UN-Sicherheitsrat zu annullieren.Wenn
dies nicht gelingt, sollte man darauf drängen, dass den russischen UN-
Vertretern die Akkreditierung durch die UN-Organe entzogen wird, bis der letzte
russische Soldat ukrainischen Boden verlassen hat.1
1https://www.lto.de/recht/hintergruende/h/russland-vereinte-nationen-staendiges-
mitglied-sitz-entziehen-veto-sicherheitsrat/
“Die enthusiastischsten Europäer findet man dort, wo Europa nicht
selbstverständlich ist”, heißt es in Navid Kermanis Rede “Nach Europa”
aus 2015.
Die Ukrainer_innen verteidigen in diesem sinnlosen Angriff nicht nur ihr Land
sondern kämpfen auch für Werte, die die Grundlage unserer europäischen
Ordnung bilden: Für Freiheit, Demokratie und das Recht die eigene Zukunft zu
bestimmen. Sie verdienen unsere volle Unterstützung!
Wir Junge liberale NEOS - JUNOS sprechen uns für die Schaffung eines
europäischen Jean-Monnetplanes15 aus, der nach Vorbild des Marshallplanes für
den Wiederaufbau der zivilen und militärischen Infrastruktur in der Ukraine zur
Verfügung stehen soll.
Der Krieg in der Ukraine wird enden. Erst dann wird das Ausmaß der russischen
Verwüstungen deutlich werden. Mit dieser Wirtschaftshilfe schaffen wir die
Perspektive für einen Neubeginn. Wir stützen die junge, demokratische
Entwicklung des Landes, die im Euromaidan 2013 ihren Anfang genommen hat und
legen den Grundstein für eine engere wirtschaftliche Kooperation mit der
Europäischen Union.
Für einen Beitritt der Ukraine zur EU fehlen noch viele Voraussetzungen. Doch
für uns ist unbestreitbar, dass sie Teil unserer europäischen
Wertegemeinschaft und wir schon jetzt in Freiheit geeint sind.
Langfristig sprechen wir Junge liberale NEOS - JUNOS uns für die vollständige
Integration der Ukraine in die Europäische Union aus.
[12] Dazu “Vereintes Europa - Zukunft in Freiheit” beschlossen am 27.5.2018
[13] Dazu “Reform der Außen- und Sicherheitspolitik” beschlossen am XI.
BuKo, 2015.
[15] Jean Monnet gilt als einer der “Gründervater” der Europäischen Union.
Er ist Urheber des Schumann-Plans, Mitbegründer und Vorsitzender des
Aktionskomitees für die Vereinigten Staaten von Europa und trat Zeit seines
Lebens für die europäische Einigung ein.