Veranstaltung: | XXXII. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | 14.2 Leitantrag des Bundesvorstands |
Antragsteller*in: | Bundesvorstand |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 09.10.2025, 00:00 |
LA: Das Rezept heißt Freiheit
Antragstext
Das österreichische Gesundheitssystem zählt auf dem Papier zu den besten der
Welt. Es wird mit hohen finanziellen Mitteln ausgestattet, es verfügt über eine
dichte Spitalslandschaft, und viele Menschen fühlen sich grundsätzlich gut
versorgt. Doch es ist ein System, das von Ineffizienz und Intransparenz geprägt
ist.
Ein Kernproblem liegt in der Zersplitterung der Zuständigkeiten. Bund, Länder
und Sozialversicherungsträger schieben sich die Verantwortung gegenseitig zu.
Während der Bund die Sozialversicherung kontrolliert, die Länder die Spitäler
betreiben und die Gemeinden vielfach für Gesundheitsinfrastruktur zuständig
sind, bleibt am Ende unklar, wer tatsächlich Verantwortung trägt. Patientinnen
und Patienten werden zwischen den Systemen hin- und hergeschoben, während die
Kosten explodieren.
Effizienz und Innovation sollten Leitwerte liberaler Gesundheitspolitik sein.
Österreichs Gesundheitssystem leidet unter überholten Strukturen. Wir leisten
uns zu viele kleine Spitäler, die nicht ausgelastet sind, während wir in der
Primärversorgung am Land große Lücken haben. Wir investieren zu wenig in
Digitalisierung und verschlafen internationale Trends. Länder wie Dänemark
zeigen, dass eine moderne Gesundheitsversorgung mit weniger Spitälern, aber mehr
Ambulanzen und starken regionalen Zentren nicht nur günstiger, sondern auch
qualitativ besser sein kann.
Transparenz und Nachhaltigkeit sind die Grundpfeiler eines Systems, das
Vertrauen schafft. Nur wenn die Menschen wissen, wohin ihre Beiträge fließen,
und nachvollziehen können, wer wofür zuständig ist, können Reformen Akzeptanz
finden. Ein nachhaltiges System muss finanzierbar bleiben, anstatt Schuldenberge
auf künftige Generationen zu verschieben. Eine liberale Gesundheitspolitik muss
Nachhaltigkeit auch finanziell denken: Sie darf nicht kurzfristig populäre
Lösungen finanzieren, sondern muss Strukturen schaffen, die dauerhaft
finanzierbar sind und den kommenden Generationen Spielraum lassen. Nur so können
wir eine hochwertige Versorgung sichern, ohne die Jugend mit den Folgen heutiger
Versäumnisse zu belasten.
Und vor allem: Prävention muss Vorrang haben. Es ist absurd, dass Österreich pro
Jahr Milliarden in Spitalsaufenthalte investiert, aber vergleichsweise wenig in
Prävention steckt. Krankheiten gar nicht erst entstehen zu lassen, ist nicht nur
humaner, sondern auch volkswirtschaftlich günstiger.
Das größte Problem unseres Gesundheitssystems ist das föderale
Kompetenzwirrwarr. Bund, Länder, Sozialversicherungsträger und auch viele
Gemeinden teilen sich Zuständigkeiten so auf, dass am Ende niemand
verantwortlich ist. Diese Aufsplittung führt dazu, dass Kosten und Verantwortung
zwischen allen Ebenen hin- und hergeschoben werden.
Dieses System ist nicht reformfähig, solange die Verantwortlichkeiten so
zersplittert bleiben. Es braucht eine klare Kompetenzentflechtung. Der Bund muss
die übergeordnete Steuerung und Finanzierung der Gesundheitsversorgung
übernehmen. Die Länder sollen in klar definierter Weise die Umsetzung und den
Betrieb übernehmen, während Gemeinden sich auf jene Aufgaben konzentrieren, die
sie tatsächlich effizient erbringen können, wie Präventions- oder Sozialdienste.
Alle Ebenen brauchen eindeutige Zuständigkeiten und transparente Finanzströme,
damit Verantwortung nicht länger verschleiert, sondern übernommen wird
Ein zentrales Element dabei ist die Finanzierung aus einer Hand. Heute wird
versucht, Patientinnen und Patienten zwischen ambulanter und stationärer
Versorgung hin- und herzuschieben, weil unterschiedliche Kostenträger zuständig
sind. Das führt nicht nur zu Ineffizienz, sondern oft auch zu schlechterer
Versorgung. Wenn aber dieselbe Institution für beide Bereiche verantwortlich
ist, wird es im Interesse der Finanzierer liegen, die sinnvollste und
kostengünstigste Lösung zu wählen – und das ist fast immer die ambulante.
Darüber hinaus muss ein österreichweiter Risikostrukturausgleich eingeführt
werden. Noch immer hängen Leistungen und Versorgungsschwerpunkte davon ab, in
welchem Bundesland oder bei welcher Kasse man versichert ist. Das widerspricht
dem Grundgedanken eines solidarischen Gesundheitssystems. Ein einheitlicher
Ausgleichsmechanismus stellt sicher, dass die Versorgung unabhängig von Wohnort
gleich ist und niemand benachteiligt wird.
Eine weitere Schwachstelle ist die Zersplitterung der gesetzlichen
Sozialversicherungsträger. Die derzeitige Vielzahl von Trägern mit
unterschiedlichen Strukturen und Leistungen ist nicht zeitgemäß. Wir fordern
ihre Zusammenlegung zu einer einheitlichen Krankenkasse. Damit wird nicht nur
Bürokratie abgebaut, sondern auch Transparenz geschaffen. Jede und jeder
Versicherte weiß dann, welche Leistungen ihm oder ihr zustehen – ohne
Unterschiede zwischen Angestellten, Selbständigen oder Beamten.
Und schließlich braucht es mehr Transparenz in der Mittelverwendung. Heute ist
für die Öffentlichkeit kaum nachvollziehbar, wie Milliarden im System verteilt
werden. Die Vermischung von Mitteln aus Bund, Ländern und Krankenkassen macht es
unmöglich, die tatsächliche Effizienz einzelner Bereiche zu bewerten. Ein
transparentes, klar strukturiertes Finanzierungsmodell würde nicht nur Vertrauen
schaffen, sondern auch Reformdruck erzeugen.
Kurz gesagt: Das derzeitige föderale Geflecht ist ein System permanenter
Verantwortungslosigkeit. Wir JUNOS stehen für ein Gesundheitssystem, in dem
Zuständigkeiten klar geregelt sind, Geld und Verantwortung aus einer Hand kommen
und österreichweit gleiche Standards gelten. Nur so kann aus einem ineffizienten
Flickenteppich endlich ein modernes, chancengerechtes Gesundheitssystem werden.
Besonders deutlich zeigt sich die Schieflage des Systems bei der Versorgung am
Land. Während in Ballungsräumen Ärztinnen und Ärzte in hoher Zahl vorhanden
sind, kämpfen ländliche Regionen mit massiven Engpässen. Heute ist es vielerorts
einfacher, binnen weniger Tage einen Termin in einer Privatordination in Wien zu
bekommen, als am Land einen Kassenarzt zu finden. Das ist nicht nur ein
Gerechtigkeitsproblem, sondern auch eine Gefahr für die Attraktivität des
ländlichen Raums. Wer sich dort nicht versorgt fühlt, wandert ab – und die
Spirale der Unterversorgung dreht sich weiter.
Die Zukunft der Gesundheitsversorgung am Land liegt nicht im Festhalten an einer
Vielzahl kleiner Spitäler, die unterausgelastet und teuer sind. Österreich hat
gemessen an der Bevölkerungszahl fast doppelt so viele Spitalsbetten wie der
OECD-Schnitt, aber keine besseren Ergebnisse. Stattdessen braucht es
leistungsfähige regionale Gesundheitszentren, die verschiedene Fachrichtungen
bündeln und eng mit Primärversorgungseinheiten zusammenarbeiten. Diese PVEs
müssen interdisziplinär organisiert sein: Ärztinnen und Ärzte, Pflegekräfte,
Therapeutinnen und Therapeuten sowie Psychologinnen und Psychologen sollen
gemeinsam unter einem Dach arbeiten. Dänemark hat vorgemacht, wie eine Reduktion
der Spitalsanzahl mit gleichzeitiger Verbesserung der Versorgung gelingen
kann.[1] Österreich muss diesem Beispiel folgen und Mut zur Strukturänderung
beweisen.
Darüber hinaus braucht es neue mobile und digitale Angebote. Beispielsweise kann
eine gezielte Nutzung von Telemedizin dazu beitragen, Versorgungslücken zu
schließen. Digitalisierung ist dabei kein Selbstzweck, sondern eine
Notwendigkeit, um Menschen auch abseits der Ballungszentren gleichwertig zu
versorgen. Gerade für chronisch Kranke, die regelmäßig Kontrolltermine
benötigen, können digitale Lösungen eine enorme Entlastung darstellen.
Österreich leistet sich eine der höchsten Spitalsdichten Europas[2], ohne
dadurch bessere Ergebnisse zu erzielen. Die Zahl der Spitalsaufenthalte liegt
weit über dem OECD-Schnitt[3], während gleichzeitig die durchschnittliche
Aufenthaltsdauer kaum sinkt. Das ist ineffizient und teuer. Wir fordern daher
eine echte Neuausrichtung: Ambulante Versorgung muss Vorrang haben. Wer nicht
zwingend stationär behandelt werden muss, soll ambulant versorgt werden.
Dazu braucht es Investitionen in Tageskliniken, Ambulanzen und die Vernetzung
von Hausärztinnen und Fachärzten. Stationäre Spitalsaufenthalte sollen auf
Notfälle und hochkomplexe Eingriffe beschränkt werden. Dieser Paradigmenwechsel
ist nicht nur kosteneffizient, sondern auch patientenfreundlich, weil Menschen
schneller wieder in ihr gewohntes Umfeld zurückkehren können.
Ein liberal gedachtes Gesundheitssystem muss auch die richtige Balance zwischen
niederschwelligem Zugang und verantwortungsvollem Umgang mit Ressourcen finden.
In Österreich sind Spitalsambulanzen oft die erste Anlaufstelle, auch für Fälle,
die in einer Ordination oder einem Primärversorgungszentrum kostengünstiger und
patientenfreundlicher behandelt werden könnten. Diese Fehlsteuerung überlastet
Ambulanzen und bindet Personal, das für echte Notfälle gebraucht wird. Wir JUNOS
sprechen uns daher für Ambulanzgebühren aus: Wer ohne akuten Notfall eine
Spitalsambulanz in Anspruch nimmt, soll einen moderaten Kostenbeitrag leisten.
Das österreichische Gesundheitssystem leidet nicht nur unter ineffizienten
Strukturen, sondern auch unter einem Mangel an sinnvoller Datennutzung. Weder
existiert ein umfassender Überblick darüber, welche Krankheiten in welcher
Häufigkeit auftreten, noch stehen behandelnden Ärztinnen und Ärzten konsistente
Informationen über Krankheitsverläufe und chronische Leiden zur Verfügung. Diese
Informationslücken führen zu unnötiger Bürokratie, belasten das Personal im
Gesundheitswesen und verschlechtern die Behandlungsqualität.
Ein moderner, gut gesteuerter Datenfluss könnte hingegen gezielt helfen,
Versorgungsstrukturen bedarfsgerecht zu planen und niederschwellige Angebote
dorthin zu bringen, wo sie gebraucht werden. Er eröffnet auch der Forschung
enorme Chancen: Bei seltenen Erkrankungen etwa könnten Patientinnen und
Patienten schneller in klinische Studien aufgenommen und innovative Therapien
rascher verfügbar gemacht werden. Selbst die reguläre Medikamentenversorgung
würde von einer datenbasierten Strategie profitieren – etwa durch eine
schnellere Zulassung wirksamer Präparate und eine bessere Abstimmung von
Behandlungsprozessen.
Ein weiteres Problem des Gesundheitssystems ist die überholte Arbeitsteilung.
Was nicht ausdrücklich gesetzlich geregelt ist, fällt automatisch unter den
ärztlichen Vorbehalt. Damit dürfen selbst hochqualifizierte Pflegekräfte,
Therapeut:innen oder Sanitäter:innen viele Leistungen nur auf ausdrückliche
ärztliche Anweisung erbringen – selbst wenn ihre Ausbildung sie längst dazu
befähigt. Das blockiert Abläufe, erzeugt Engpässe und verschwendet Ressourcen.
Österreich hat mit 5,4 Ärzt:innen pro 1.000 Einwohner zwar einen Spitzenwert in
der OECD[4], dennoch mussten in den vergangenen Jahren Operationen und
Behandlungen ausfallen – nicht wegen fehlender Ärzt:innen, sondern weil OP-
Pflege, spezialisierte Assistenzkräfte oder Sanitäter:innen fehlten.
Wir JUNOS sehen darin ein strukturelles Problem: Die Kompetenzen zahlreicher
Gesundheitsberufe wurden in den letzten Jahren akademisiert und ausgeweitet,
ihre rechtliche und praktische Nutzung hinkt aber hinterher. Das System schöpft
das Potenzial dieser Berufsgruppen nicht aus und verschärft damit den
Personalmangel. Wir fordern daher eine umfassende Modernisierung der
Berufsgesetze, die es ermöglicht, Aufgaben dorthin zu verlagern, wo das
Fachwissen vorhanden ist. Sanitäter:innen sollen vor Ort mehr tun dürfen,
Pflegekräfte und Therapeut:innen sollen in ihrem Kompetenzbereich
eigenverantwortlich handeln können.
Ein modernes, liberales Gesundheitssystem setzt auf den „mündigen Patienten“.
Wer über seine eigenen Gesundheitsdaten verfügt, kann informierte Entscheidungen
treffen, Therapien aktiv mitgestalten und Doppeluntersuchungen vermeiden. Wir
fordern daher, dass nicht nur Ärzt:innen und andere Gesundheitsberufe, sondern
auch Patient:innen selbst einfachen und vollständigen Zugang zu ihren digitalen
Gesundheitsinformationen erhalten – sicher, verständlich und nutzerfreundlich.
Zugleich muss das Gesundheitsberuferegister so reformiert werden, dass
Qualifikationen und Spezialisierungen transparent sichtbar sind. So können
Personalplanung und Ausbildung besser gesteuert werden, und Patient:innen
profitieren von klaren Zuständigkeiten und kürzeren Wegen.
Ein liberales Gesundheitssystem setzt nicht erst dann an, wenn Menschen krank
sind, sondern schon vorher. Österreich gibt im internationalen Vergleich viel
für Akutversorgung, aber sehr wenig für Prävention aus. Das muss sich ändern.
Gesundheitsbildung gehört von klein auf in Lehrpläne. Schon in der Volksschule
sollten Kinder mit den Grundlagen gesunder Ernährung, Bewegung und mentaler
Balance vertraut gemacht werden. In Schulen müssen Themen wie
Gesundheitskompetenz, Sexualkunde und Erste Hilfe als feste Bestandteile im
Unterricht verankert sein. Wer früh über Risiken aufgeklärt wird, kann später
eigenverantwortlich Entscheidungen treffen.
Gesundheitskompetenz beginnt nicht erst bei Ernährung und Bewegung, sondern auch
bei der Fähigkeit, im Notfall richtig zu handeln. Wir fordern daher, Erste-
Hilfe-Kurse als festen Bestandteil des Unterrichts in allen Schultypen zu
verankern. Kinder und Jugendliche sollen während ihrer Schullaufbahn regelmäßig
und praxisnah in lebensrettenden Sofortmaßnahmen geschult werden. Das stärkt
nicht nur das Bewusstsein für Verantwortung und Zivilcourage, sondern schafft
auch langfristig eine Bevölkerung, die im Ernstfall helfen kann und medizinische
Notfälle besser einschätzen lernt. Erste Hilfe ist damit ein zentraler Baustein
moderner Gesundheitsbildung und Prävention.
Auch Erwachsene müssen stärker in die Verantwortung genommen werden.
Vorsorgeuntersuchungen sollten attraktiver gestaltet, stärker beworben und mit
digitalen Tools verknüpft werden, die Menschen helfen, ihre Gesundheitsdaten im
Blick zu behalten. Krankheiten wie Diabetes Typ II oder Herz-Kreislauf-
Erkrankungen sind in hohem Maße vermeidbar – es braucht aber Programme, die
Betroffene frühzeitig erreichen und unterstützen. Prävention ist die günstigste
und zugleich humanste Medizin.
Ein liberales Gesundheitssystem nimmt Selbstbestimmung ernst. Dazu gehört das
Recht, über den eigenen Körper und die eigene Familienplanung zu entscheiden.
Wir fordern daher die Zulassung der Präimplantationsdiagnostik in klar
geregeltem Rahmen. Sie ermöglicht Paaren, schweres Leid zu verhindern und
verantwortungsbewusste Entscheidungen über ihr Leben zu treffen.
Jugendliche sollen außerdem einen einfachen Zugang zu Verhütungsmitteln haben.
Diese müssen von den Krankenkassen übernommen werden, um ungewollte
Schwangerschaften zu verhindern und sexuelle Selbstbestimmung abzusichern.
Ergänzend dazu braucht es flächendeckende Aufklärung, die über Risikoverhalten,
Geschlechtskrankheiten und moderne Verhütungsmethoden informiert.
Darüber hinaus müssen Patientenrechte gestärkt werden. Patientinnen und
Patienten haben Anspruch auf volle Transparenz über Behandlungsmöglichkeiten und
Kosten. Sie müssen das Recht auf freie Arztwahl und Therapiefreiheit haben. Ein
liberales Gesundheitssystem vertraut auf die Fähigkeit der Menschen, informierte
Entscheidungen zu treffen – es bevormundet sie nicht.
Ein modernes Gesundheitssystem muss die unterschiedlichen Bedürfnisse und
Lebensrealitäten von Frauen und Männern ernst nehmen. Über Jahrzehnte hinweg
wurde medizinische Forschung überwiegend an männlichen Probanden durchgeführt,
und die Ergebnisse wurden pauschal auf Frauen übertragen. Medikamente,
Diagnosetests und Therapien sind deshalb vielfach auf den „durchschnittlichen
Mann“ zugeschnitten – mit der Folge, dass Frauen häufiger Nebenwirkungen
erleiden, Diagnosen verzögert gestellt werden und spezifische Krankheitsbilder
weniger gut verstanden sind. Gerade bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen,
Autoimmunerkrankungen und Endometriose besteht erheblicher Forschungsbedarf.
Wir JUNOS fordern deshalb eine konsequente geschlechtsspezifische Forschung und
Versorgung. Arzneimittel und Medizinprodukte müssen in allen Phasen klinischer
Studien auch an Frauen getestet und nach Geschlecht ausgewertet werden. In der
Ausbildung von Ärztinnen und Ärzten müssen frauenspezifische Symptome,
Krankheitsverläufe und Therapien stärker verankert werden. Frauengesundheit
umfasst aber weit mehr als biologische Unterschiede. Reproduktive und sexuelle
Gesundheit ist ein zentraler Bestandteil. Dazu zählen der einfache Zugang zu
sicheren und modernen Verhütungsmitteln, evidenzbasierte Information über
Menstruationsgesundheit, Schwangerschaft und Geburt sowie ein Rechtsrahmen, der
Frauen Selbstbestimmung garantiert.
Auch psychische und soziale Faktoren sind bei Frauengesundheit zentral. Frauen
sind häufiger von Mehrfachbelastungen und Betreuungspflichten betroffen –
Faktoren, die sich direkt auf ihre Gesundheit auswirken. Präventions- und
Unterstützungsprogramme müssen diese Lebensrealitäten berücksichtigen, etwa beim
Zugang zu psychologischer Hilfe, bei Angeboten für Alleinerziehende oder beim
Schutz vor Gewalt. Gewalt an Frauen ist auch ein Gesundheitsproblem:
medizinisches Personal muss sensibilisiert und Strukturen geschaffen werden, um
Betroffene rasch und umfassend zu unterstützen.
Frauengesundheit ist damit kein Nischenthema, sondern ein zentraler Maßstab für
die Qualität eines Gesundheitssystems. Ein liberales Gesundheitswesen muss
sicherstellen, dass Forschung, Diagnostik, Therapie und Arbeitsbedingungen die
Hälfte der Bevölkerung nicht länger benachteiligen, sondern ihre Bedürfnisse und
Lebensrealitäten gleichwertig berücksichtigen.
Psychische Gesundheit ist das Stiefkind der österreichischen Gesundheitspolitik.
Noch immer sind psychische Erkrankungen stigmatisiert, Wartezeiten auf
Therapieplätze sind unzumutbar, und viele Menschen können sich Hilfe schlicht
nicht leisten. Dabei sind Depressionen, Angststörungen und Burnout längst
Volkskrankheiten. Laut OECD gehört Österreich zu den Ländern mit dem höchsten
Anteil psychischer Erkrankungen, gleichzeitig liegt die Zahl der
kassenfinanzierten Psychotherapieplätze deutlich unter dem Bedarf.
Die Folgen sind gravierend – nicht nur für die Betroffenen selbst, sondern auch
für die Gesellschaft. Psychische Erkrankungen führen zu massiven Ausfällen am
Arbeitsplatz, mindern Bildungs- und Berufschancen junger Menschen und
verursachen enorme volkswirtschaftliche Kosten. Trotzdem werden sie noch immer
nicht mit derselben Ernsthaftigkeit behandelt wie körperliche Leiden.
Wir fordern die größtmögliche Gleichstellung psychischer mit körperlichen
Erkrankungen in der medizinischen Versorgung. Dazu braucht es einen massiven
Ausbau von kassenfinanzierten Psychotherapieplätzen, die flächendeckend und ohne
monatelange Wartezeiten verfügbar sind. Besonders junge Menschen leiden unter
psychischem Druck. Schulen und Hochschulen brauchen Zugang zu niederschwelligen
psychologischen Angeboten, Beratungsstellen und Kriseninterventionsteams.
Gleichzeitig müssen breite Kampagnen das Tabu um psychische Erkrankungen
brechen.
Besonders gravierend ist in Österreich der Mangel an Angeboten außerhalb von
Spitälern. Für psychisch erkrankte Menschen gibt es kaum Einrichtungen, die eine
Betreuung in einem wohnortnahen, nicht-klinischen Umfeld ermöglichen. Altenheime
nehmen psychisch Kranke meist gar nicht oder nur ungern auf, für junge
Betroffene existieren abgesehen von wenigen betreuten Wohngemeinschaften
praktisch keine Alternativen zum Krankenhaus – und diese Angebote können oft nur
genutzt werden, solange der Zustand relativ stabil ist.
Wir JUNOS fordern daher einen gezielten Ausbau extramuraler Betreuung für
psychisch erkrankte Menschen: mehr betreute Wohneinrichtungen, Tageskliniken,
mobile multiprofessionelle Teams und niederschwellige Anlaufstellen, die echte
Alternativen zum Spital schaffen.
Ein Gesundheitssystem, das psychische Probleme nicht ernst nimmt, ist kein
modernes System. Mentale Gesundheit ist die Grundlage für Leistungsfähigkeit,
Kreativität und gesellschaftliche Teilhabe – sie darf nicht länger als
Nebenthema behandelt werden.
Österreich braucht eine mutige liberale Reformagenda in der Gesundheitspolitik.
Wir wollen klare Strukturen, in denen Verantwortung nicht länger verschleiert,
sondern übernommen wird. Wir wollen eine Versorgung, die am Land genauso
hochwertig ist wie in der Stadt, die auf ambulante Behandlung setzt,
Digitalisierung nutzt und Prävention ins Zentrum rückt. Wir wollen ein System,
das Selbstbestimmung ernst nimmt, reproduktive Freiheit schützt und psychische
Gesundheit gleichwertig behandelt.
Wir JUNOS fordern daher ein modernes, transparentes und chancengerechtes
Gesundheitssystem, das nachhaltig finanzierbar ist, Innovation ermöglicht und
allen Menschen in Österreich den gleichen Zugang zu qualitativ hochwertiger
Versorgung garantiert.
[1]https://www.nzz.ch/report-und-debatte/reformiertes-gesundheitswesen-
daenemarks-effiziente-spitalzukunft-ld.1845946
[4] In Österreich variiert die Dichte zwischen 4,25 Ärzt:innen pro 1.000
Einwohner:innen im Burgenland und fast sieben in Wien (ÖÄK, 2023)
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