Veranstaltung: | XXX. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | 16.c. Allgemeine Anträge |
Antragsteller*in: | Julian Fritsch, Ines Holzegger |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.10.2024, 00:00 |
A10: Unendliche Weiten: Die JUNOS Weltraumstrategie
Antragstext
Die Geschichte der Raumfahrt ist eine Geschichte des Wettbewerbs und des
Fortschritts. Vom ersten Satelliten bis zum neuesten Mars-Rover hat unser
Streben nach Forschung zum Weltraum eine Fülle von Erkenntnissen hervorgebracht
und steht als lebendiges Zeugnis für menschliches Einfallsreichtum. Das Space
Race hat nicht nur die Möglichkeiten der Raumfahrt hervorgebracht, sondern auch
ein weltweites Interesse an Wissenschaft und Technologie entfacht.
Die Erforschung des Weltraums ist mit zahlreichen Herausforderungen verbunden.
Vielmehr bietet sie aber auch viele Chancen, darunter die Erschließung neuer
Ressourcen, die Weiterentwicklung moderner Technologien und potenziell sogar die
Aussicht auf die Ausdehnung des Lebensraums.
Bereits heute ist die europäische Wirtschaft stark auf die Weltrauminfrastruktur
angewiesen, viele Arbeitsplätze sowie die internationale Wettbewerbsfähigkeit
hängen direkt mit der Weltraumforschung zusammen. In Anbetracht dessen ist es
von großer Bedeutung, dass Europa seine Position stärkt und zu einer
maßgeblichen Akteurin in Weltraumangelegenheiten aufsteigt.
Der Weltraumvertrag sowie eine Handvoll weiterer völkerrechtlicher Übereinkommen
bilden die Grundlage für den gemeinsamen Umgang im Weltall, wobei die aktuellste
Ergänzung (der Mondvertrag) aus dem Jahr 1979 kommt und das Weltraumrecht
insgesamt schwach und veraltet ist. Wir fordern daher, dass auf internationaler
Ebene neue Verträge geschlossen werden, um ungeklärte Problematiken zu regeln
und Rechtsunsicherheiten zu beseitigen.
Die EU soll sich dafür einsetzen, dass sich Himmelskörper weiterhin nicht im
Eigentum von Staaten und privaten Akteur:innen befinden dürfen. Stattdessen soll
der Weltraum unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen stehen, die
anhand eines geregelten Verfahrens zeitlich begrenzte Nutzungs- und Schürfrechte
für Himmelskörper vergeben können sollen, um diese für Wirtschaft und Forschung
nutzbar zu machen.
Um Zusammenstöße zwischen den zahlreichen Satelliten rund um die Erde zu
verhindern, müssen gemeinsame Regeln etabliert werden, die etwa definieren, wie
die Umlaufbahnen zwischen den Betreiber:innen koordiniert und aufgeteilt werden
können.
Der private Sektor bringt zunehmend wichtige Akteur:innen im Bereich der
Raumfahrt hervor. Unternehmen wie SpaceX und Virgin Galactic tragen aktiv dazu
bei, Raumfahrttechnologie weiterzuentwickeln und den Zugang zum Weltraum
einfacher und günstiger zu machen.
Im Vergleich zu internationalen Playern wie den Vereinigten Staaten oder China
hinkt die europäische Raumfahrtindustrie leider stark hinterher. Wir sehen hier
eine große Chance in der Förderung des privaten Sektors, um kompetitiv zu
bleiben - insbesondere sollen auch öffentlich-privatwirtschaftliche
Kooperationen vorangetrieben werden.
Um so effizient wie möglich zu arbeiten und Innovation voranzutreiben, soll auch
in der europäischen Raumfahrt mehr Verantwortung auf Unternehmen übertragen
werden. Die ESA soll daher nicht mehr alle Projekte eigenständig abwickeln,
sondern vermehrt auch Aufträge an private Anbieter:innen vergeben und gemeinsame
Programme realisieren. Gleichzeitig sollen klare Bedingungen gestellt werden,
damit auch die Öffentlichkeit von diesen Kooperationen profitiert – etwa durch
den Zugang zu Forschungsergebnissen.
Zudem stehen wir selbstverständlich auch gänzlich privatwirtschaftlichen
Unternehmungen positiv gegenüber.
Neugründungen in der NewSpace Economy sollen jedenfalls begrüßt werden und daher
– wie im Übrigen auch andere Unternehmensgründungen - auf möglichst wenige
Hürden stoßen. Genehmigungsprozesse für neue Technologien sollen möglichst
unbürokratisch und schnell abgewickelt werden.
Es ist außerdem an der Zeit, dass Wagniskapital auch österreichischen
Raumfahrtunternehmen zugutekommt. Dazu schlagen wir ein neues Gesetz für
Risikokapital vor, das unter anderem steuerliche Abschreibungen bei Verlusten,
die Gleichstellung von Eigen- und Fremdkapitalfinanzierungen sowie die
Fortführung von Verlustvorträgen ermöglicht.
Um die Entwicklung neuer Technologien in der Raumfahrtbranche zu gewährleisten,
sollten verbindliche Haftungsgrenzen eingeführt werden. Dies ist notwendig, da
Versicherungen aufgrund der sehr hohen potenziellen Risiken für Unternehmen in
diesem Bereich finanziell nicht tragbar sind.
Kein europäischer Staat kann den Weltraum allein nutzen. Wenn Europa in diesem
Bereich an Einfluss gewinnen will, ist ein gemeinsames Vorgehen der einzige Weg
- die EU soll hier zu einer Hauptakteurin werden.
Die EU und die ESA sollen in einem Vertrag ihr Verhältnis zueinander definieren,
auf dessen Basis die EU entscheiden kann, ob sie weiterhin ein eigenes
Weltraumprogramm finanzieren, oder die EU-Interessen im Weltraum durch die ESA
vertreten lassen möchte.
Die EU-Mitgliedstaaten sollen im Bereich der Raumfahrt jedenfalls enger
zusammenarbeiten und Ineffizienzen, die sich durch das parallele Betreiben
nationaler und europäischer Programme ergeben, beseitigen. Mittelfristig soll es
auf europäischer Ebene ein gemeinsames Raumfahrtprogramm geben, an dem alle EU-
Mitgliedstaaten teilnehmen.
Österreich soll der ESA mehr Mittel zur Verfügung stellen und auch die anderen
EU-Mitgliedsstaaten zur verstärkten Unterstützung auffordern. Ziel muss es sein,
die (finanzielle) Wettbewerbsfähigkeit mit der NASA zu erreichen.
Das Raumfahrtzentrum Guayana soll weiterentwickelt und direkt der ESA
unterstellt werden. Zusätzlich möchten wir privaten Unternehmen die Möglichkeit
geben, dort Starts durchzuführen.
Wir fordern einen Ausbau der Grundlagenforschung in Zusammenarbeit mit
nationalen und europäischen Luft- und Raumfahrtunternehmen, insbesondere im
Bereich der nachhaltigen Raumfahrterkundung. Zusätzlich sollen Projekte zur
Entwicklung von Überlebenssystemen im Weltraum gefördert werden, um die
Sicherheit und Leistungsfähigkeit von Astronaut:innen zu verbessern.
Für alle EU-Mitglieder soll ein gleichberechtigter Zugang zu
Forschungsergebnissen aus ESA-Missionen und nationalen Raumfahrtprogrammen
einzelner Mitgliedstaaten sichergestellt werden.
In Anbetracht der internationalen Abhängigkeit der Raumfahrtindustrie soll die
EU in Studiengängen der Weltraumforschung den Fokus auf Austauschstudierende im
Erasmus+ Programm erhöhen.
Große Weltmächte wie Russland, China, Indien und die Vereinigten Staaten bauen
ihre militärischen Ressourcen im Weltraum stetig aus. Für die EU herrscht
dringend Handlungsbedarf, um nicht an Einfluss zu verlieren, gleichzeitig müssen
Regeln zur Vermeidung und Lösung von Konflikten geschaffen werden.
Um die strategische Autonomie und Sicherheit Europas im Weltraum zu
gewährleisten, fordern wir die Gründung Europäischer Weltraumstreitkräfte nach
Vorbild der United States Space Force im Rahmen einer EU-Armee.
Gemeinsame Weltraumstreitkräfte stärken die europäische Integration, verringern
Abhängigkeiten von externen Akteur:innen und erhöhen die Fähigkeit der
Europäischen Union, eigenständig im Weltraum zu agieren und potenzielle
Bedrohungen abzuwehren. Zudem kann die internationale Zusammenarbeit zur Wahrung
globaler Sicherheitsinteressen ausgebaut werden.
Durch den Schutz kritischer Weltrauminfrastruktur, die Entwicklung sicherer
Kommunikations- und Navigationssysteme sowie einen verstärkten Fokus auf
Forschung im Weltraumsektor kann Europa seine technologische Führungsrolle
ausbauen und auch wirtschaftlich profitieren.
Angesichts zunehmender Bedrohungen durch ballistische Raketen und geopolitische
Spannungen ist es wesentlich, dass die EU ein gemeinsames Raketenabwehrprogramm
startet. Bestehende Programme wie das NATO-Raketenabwehrsystem und nationale
Initiativen wie MEADS und SAMP/T sind bereits wichtige Schritte, auf denen
aufgebaut werden kann, aber es besteht weiterhin Bedarf an einer integrierten
Lösung.
Die EU sollte zudem mit ihren schärfsten diplomatischen Mitteln entschieden
verhindern, dass Staaten Anti-Satelliten-Waffen einsetzen.
Immer, wenn Staaten die Möglichkeit hatten, neue Territorien zu erschließen,
führte das zu Konflikten und Instabilität aufgrund des Widerstands der
ansässigen Bevölkerung oder anderer Staaten, die ebenfalls Ansprüche erhoben. Um
Verbrechen und Streitigkeiten im Weltraum zu lösen, sollte die internationale
Gemeinschaft ein Tribunal einrichten, das ähnlich dem Internationalen
Seegerichtshof funktioniert.
Hunderttausende Teile Weltraummüll umkreisen die Erde und bedrohen wichtige
Weltrauminfrastruktur. Zudem besteht die Gefahr des Kessler-Syndroms, bei dem
eine Kettenreaktion von Zerstörung und weiterer Müllansammlung die
Erdumlaufbahnen unbrauchbar und unpassierbar machen könnte, was die Menschheit
auf der Erde stark einschränken würde. Daher ist es von größter Dringlichkeit,
die Entstehung von neuem Weltraummüll zu minimieren und Lösungen für die
bestehende Vermüllung zu finden.
Um die Entstehung von Weltraumschrott zu reduzieren, fordern wir die Einführung
eines Space-Debris-Trade-System (SDTS). Dieses System erfordert, dass für jeden
Kilogramm Müll im Weltraum ein entsprechendes Vermüllungszertifikat vorliegt. Um
die Menge an Weltraummüll zu begrenzen, wird eine maximale zulässige Vermüllung
festgelegt, basierend auf wissenschaftlichen Einschätzungen zur
Kontrollierbarkeit des Kollisionsrisikos mit Müll. Das SDTS-Zertifikat muss
bereits beim Starten von Satelliten vorhanden sein, um die potenzielle Müllmenge
jederzeit zu dokumentieren. Wenn Weltraummüll entfernt wird, werden gleichzeitig
neue Zertifikate für die Müllentsorgung ausgestellt.
Die EU sollte Initiativen wie Horizon Europe erheblich unterstützen, um
Technologien zur Verhinderung des Kessler-Syndroms zu entwickeln, wie z.B.
Verdampfungslaser, durch die Weltraummüll vernichtet werden kann.
Zudem sollen internationale Regelungen geschaffen werden, die für alle ins All
geschickten Satelliten kürzere obligatorische Abstiegszeiten und zuverlässige
Selbstzerstörungsmechanismen vorschreiben. Dadurch wird sichergestellt, dass
Satelliten am Ende ihrer Lebensdauer sicher außer Betrieb genommen werden
können, um die Entstehung von Weltraummüll zu vermeiden.
Die Internationale Raumstation (ISS) ist ein Wunderwerk der internationalen
Zusammenarbeit. Sie hat uns gelehrt, wie man im Weltraum lebt und arbeitet, und
damit die Grundlage für künftige Langzeitmissionen zum Mond, Mars und darüber
hinaus gelegt. Nachdem die ISS nur noch wenige Jahre in Betrieb sein wird,
müssen bereits jetzt die Weichen für ein Nachfolgeprogramm gestellt werden. Hier
muss sich die Europäische Union auf jeden Fall stark proaktiv einbringen.
Wir fordern, dass Österreich und die EU sich aktiv bei Projekten wie dem Lunar
Gateway einbringen, da der Mond als potenzielle Zwischenstation für
Marsmissionen wieder verstärkt ins Blickfeld der Raumfahrtprogramme rückt.
Langfristig streben wir an, dass die ESA die Fähigkeit entwickelt, Menschen
eigenständig zum Mond und in seine Umlaufbahn zu bringen.
Zudem sollen von der ESA konkrete Pläne zur Errichtung eines Weltraumlifts
vorangetrieben werden, da dieser eine äußerst effiziente Methode darstellen
könnte, Objekte in die Erdumlaufbahn zu transportieren, die sowohl
wirtschaftliche als auch ökologische Vorteile bringt.
Der Mars ist die nächste Grenze für die menschliche Erforschung. Mit Missionen
wie dem Artemis-Programm der NASA, das die Rückkehr von Menschen zum Mond als
Sprungbrett zum Mars zum Ziel hat, sind wir dem Roten Planeten näher denn je.
Jenseits des Mars sind die Möglichkeiten endlos, vom Abbau von Asteroiden bis
zur Erforschung der äußeren Planeten und ihrer Monde.
Wir setzen uns dafür ein, dass Vertreter:innen der freien Welt den Mars als
Erste erreichen und damit die Überlegenheit von Freiheit und Demokratie
darbieten. Aus diesem Grund fordern wir eine gemeinsame bemannte Marsmission
unter der Leitung von ESA, JAXA und NASA, zu der sich auch die
Raumfahrtagenturen anderer westlicher Staaten anschließen können.
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