Veranstaltung: | XXX. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | 16.c. Allgemeine Anträge |
Antragsteller*in: | Christoph Perner |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 16.10.2024, 00:00 |
A1: Dem Ehrenamt wieder Ehre geben
Antragstext
In Österreich ist es Tradition, sich ehrenamtlich zu engagieren. Europaweit gibt
es lt. der Austria Presse Agentur (Bericht 12.Mai 2018) kein Land in dem
verhältnismäßig so viele ehrenamtlich aktiv sind, nämlich 3,3 Millionen
Personen. Aus der Gruppe der 19-bis 29- jährigen ist es beinahe jede_r Zweite.
Auch prägt das Ehrenamt die Kulturlandschaft, damit auch unser tägliches Leben.
Einsatzorganisationen wie Freiwillige Feuerwehr, Rettungsdienste und Bergrettung
genießen ein hohes Vertrauen der Zivilbevölkerung.
Ehrenamtliche verfügen über große Zivilcourage, Flexibilität, Zusammenhalt und
Hilfsbereitschaft und meistern in einem immer größer werdenden Ausmaß
(Stichwort: Katastrophen als Folgen des Klimawandels, lt. Global 2000 erfolgte
eine Steigerung der Hochwassereinsätze um 40%) freiwillig übernommene Pflichten
neben Beruf und Familie.
Die hohe Sozialkompetenz und das Miteinander, welches seit Generationen in den
Freiwilligenorganisationen gelebt werden, bringt Menschen unterschiedlichster
Herkunft und aus verschiedensten Gesellschaftsschichten zusammen. Geselligkeit
und Zusammenhalt werden in den Vereinen hochgehalten und in Form von Ausflügen
und sportlichen Aktivitäten gelebt. Das ist wesentlich für eine reibungslose
Zusammenarbeit bei den Einsätzen.
Viele Bereiche unseres täglichen Umfeldes sind ohne ehrenamtliches Engagement
kaum oder gar nicht finanzierbar. Die Kosten einer vollkommenen Verberuflichung
ehrenamtlicher Tätigkeiten, allen voran in den Einsatzorganisationen, würde den
österreichischen Staatshaushalt vor immense finanzielle Herausforderungen
stellen und gleichzeitig würde viel Qualität und Menschennähe ohne
ehrenamtliches Engagement verloren gehen.
Ohne Ehrenamt gäbe keine schnelle Freiwillige Feuerwehr und auch keinen
flächendeckend qualifizierten Rettungsdienst in gewohnter Qualität.
Katastrophen und deren Aufarbeitung würden sich um Wochen und Monate verlängern
bzw. immense Mehrkosten im Bundeshaushalt verursachen.
Menschen, die sich ehrenamtlich engagieren, sehen sich immer mehr mit Gewalt
konfrontiert. Sei es in Form von Beschimpfungen oder gar durch
Körperverletzungen. Hier auch konkrete Zahlen zur Gewalt aus einer Studie (im
Jahr 2012 veröffentlichte Studie aus Deutschland - NRW - zur Gewalt gegen
Rettungskräfte):
Jedes Jahr erleben 98% der Studienteilnehmer_innen verbale Gewalt.
- Fast 6 von 10 Teilnehmer_innen hatten zum Zeitpunkt der Studie auch im
Jahr davor physische Übergriffe erlebt.
- Freiwillige im Rettungswesen sehen Mängel bei der Schulung zum Umgang mit
Gewalt in ihrer Ausbildung. Regelmäßige Fortbildungsmaßnahmen werden von
den Teilnehmern der Studie gefordert. Diese könnten auch durch einen
sicheren rechtlichen Rahmen, der die besondere Schutzwürdigkeit von
ehrenamtlich Engagierten unterstreicht, ein sinnvolles Mittel gegen die
Gewalt sein. Für näheres siehe: https://www.unfallkasse-
nrw.de/service/nachrichten/studie-gewalt-gegen-rettungskraefte-im-einsatz-
513.html
Ein großes Problem stellen mittlerweile aber auch Schaulustige dar, welche die
Einsatzkräfte am Ort des Geschehens behindern und so das Gefahrenpotenzial für
Einsatzkräfte erhöhen. Uniform und Helferbonus sind keine Garantie mehr, nicht
selbst Opfer von Gewalt zu werden.
In der Bundespolitik wird in Reden gerne das Engagement im Ehrenamt gelobt, es
bleibt jedoch meist ein Lippenbekenntnis. Konkrete Forderungen der
Einsatzorganisationen werden dagegen selten gehört oder gar umgesetzt.
Einsatzorganisationen müssen stets auf neue Umstände wie den Klimawandel oder
demografische Entwicklungen reagieren. Längerfristige Planungen, auf zehn oder
zwanzig Jahre, sind dagegen schwer möglich, da sich Katastrophen (Hochwasser,
Starkregen, Trockenheit, Schneechaos) mehrmals im Jahr wetterbedingt ereignen.
Und nicht zuletzt sorgt auch die SARS-Covid-19-Pandemie für erhebliche
Belastungen für die Einsatzorganisationen, vor allem bei der Bindung von
Ehrenamtlichen.
(Siehe:https://www.parlament.gv.at/PAKT/AKT/SCHLTHEM/SCHLAG/J2022/143Ehrenamt.sh-
tml#)Technik sowie Geräte, welche man heute beschafft, können in wenigen Jahren
veraltet sein. Hier bedarf es einer Förderpolitik, welche zeitnah auf die
Anforderungen des Einsatzalltags reagiert, womit es dann ermöglicht wird, sich
effizient für künftige Herausforderungen zu rüsten.
Der Bundeskongress der JUNOS - Junge liberale NEOS möge daher beschließen:
Wir setzen uns für einen besseren Schutz, eine höhere Anerkennung, eine
zielgerichtetere Förderung und langfristige Maßnahmen für den Erhalt der
ehrenamtlich fundierten Einsatzorganisationen ein. Dies soll passieren durch:
- Regelmäßige Studien zur Gewalt gegen Einsatzkräfte auch in Österreich (für
Vergleichbarkeit & Evaluation von Maßnahmen). Einerseits legislativ zum
besonderen Schutz der Schlagkraft von Einsatzorganisationen (s. unten) und
weitreichende Fortbildungsangebote für Ehrenamtliche in
Einsatzorganisationen für Deeskalation und Konfliktmanagement.
- Erweiterung des Strafgesetzbuches um eine Zusatzziffer § 126. StGB
(Schwere Sachbeschädigung) bei Beschädigung, Vandalismus oder
Brandstiftung an der Infrastruktur.
Neu: “ (3) Wer mutwillig durch die Tat an der Sache, dessen Folge die
unwiederbringliche Inbetriebnahme von einzelnen Einrichtungen und
Gerätschaften, die dem Zweck der Gefahrenabwehr oder Erhaltung
menschlichen Lebens dienen, herbeiführt, ist mit einer Freiheitsstrafe
mindestens sechs Monaten bis zu fünf Jahren zu bestrafen.”
- Entwicklung einer gemeinsamen Info-Kampagne des Innenministeriums mit dem
Bundesverband Rettungsdienst, Bergrettungsdienst, Zivilschutzverband
Österreich, Polizei und den Medien des ORF nach dem Vorbild aus
Deutschland. Ziel der Kampagne ist es, Interessierte zu motivieren und
Gewalt gegen Einsatzkräfte zu sensibilisieren.
Siehehttps://sicherheit.bund.de/ Die Förderung des Ehrenamts darf und kann
nicht allein die Aufgabe der Freiwilligenorganisationen selbst sein. Die
ehrenamtlichen Einsatzorganisationen handeln im Allgemeininteresse und
daher ist die Förderung des Ehrenamts - insbesondere die Motivierung zum
und die Werbung für ehrenamtliches Engagement - eine (teil-)staatliche
Aufgabe.
- Ausbau/Stärkung der Stellen zur Stressbewältigung und traumatischen
Erlebnissen nach Einsätzen. Dem jetzt Großteils ehrenamtlich gestützten
System soll zur Verkürzung von Wartezeiten und besserer Bedarfsdeckung mit
Möglichkeiten von staatlicher Seite geholfen werden.
- Um die Nachwuchssorgen zu bekämpfen und bei der Mitgliedergewinnung zu
unterstützen, soll zum einen ein Besuch einer Organisation des Feuerwehr-
und Rettungswesens sowie Katastrophenschutzes in den Unterrichtsplänen der
Länder verankert werden, weiters treten wir für die Etablierung regionaler
Strukturen (z. B. Ferienprogramme von Gemeinden ein), welche die Arbeit
von freiwilligen Blaulichtorganisationen für Kinder & Jugendliche
veranschaulichen und erlebbar machen.
- Vergünstigungen für Ehrenamtliche bei Nachweis der Tätigkeit durch
Dienstausweise o. ä. (z.B. vergünstigte Eintritte in Kommunalbetrieben wie
Freibäder, Ermäßigung Klimaticket, Museen und Kulturstätten.
- Stärkere Berücksichtigung freiwilligen Engagements bei Bewerbungen in
öffentlichen und landesbeteiligten Unternehmen bzw. bei Aufnahmetests für
Studenten (z.B. Medizinstudium)
- Digitalisierte Abarbeitung und Dokumentation von Einsätzen soll in diesem
Bereich flächendeckend verfügbar werden. Tools auf Tablet-PCs reduzieren
die Zettelwirtschaft und sorgen für eine flüssigere
Informationsbeschaffung. Im Fall des Rettungsdienstes kann so auch der
Fokus vermehrt auf das Wesentliche des Einsatzes gelegt werden, nämlich
auf die zu betreuenden Patient_innen. Eine Ankaufsaktion von Tablets über
die Bundesbeschaffung ist hier sinnvoll. Wichtig dabei ist es vor allem,
bei diesem Transformationsprozess die Ehrenamtlichen nicht zu bevormunden,
sondern sie zwischen verschiedenen Varianten wählen zu lassen.
Digitalisierung darf kein Zwang werden, sondern soll eine attraktive
Option werden.
Kommentare
Lorenz Unger :
Christoph Perner: