Veranstaltung: | XXVII. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | 9.3 Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Julian Fritsch, Sophie Wotschke, Peter Berry, Fabienne Lackner, Christoph Hofer, Ines Holzegger |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 24.05.2023, 22:00 |
A9: Gefesselter Staat, glückliche Bürger
Antragstext
Ein Hauptproblem moderner Wohlfahrtsstaaten bzw. Demokratien ist es, das
richtige Verhältnis von gegenwärtigem Konsum, effektiver Erfüllung von
staatlichen Kernaufgaben und langfristigen Zukunftsinvestitionen zu finden.
Politiker, die für finanzielles Maßhalten und eine langfristig nachhaltige
Lastenverteilung über Generationen hinweg eintreten, sind oft genug in der
Minderheit und werden durch Politiker, die vollmundig verheißungsvolle
Versprechungen machen, bei Wahlen ausgestochen. Dazu mag der fünfjährige
Wahlzyklus das seine beitragen. Wer denkt schon an die Auswirkungen seines
Handelns in 20 Jahren, wenn er oder sie sich in drei, vier, fünf Jahren einer
Wahl stellen muss, die über das jeweilige politische Schicksal entscheidet.
Zwar ist es richtig und notwendig, dass Bürger vehement an das
Verantwortungsgefühl der gerade aktuellen Politikergeneration appellieren, aber
dies allein wird das skizzierte strukturelle Problem der unterschiedlichen
Zeithorizonte nicht lösen können. Was es braucht, sind ebenso strukturelle
Schranken, welche die Bevölkerung den politischen Akteuren auferlegt und welche
die vorhandenen negativen Anreize ausgleichen oder zumindest abschwächen und
damit verantwortungsvollen Politikern mit langfristigem Blick die notwendige
Unterstützung zukommen lassen.
Seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges kennt die Entwicklung der Ausgaben des
österreichischen Staates so wie in den meisten westlichen Demokratien praktisch
nur eine Richtung: nach oben. Dies lässt sich nicht nur, aber vor allem, auf die
immens gestiegenen Sozialausgaben zurückführen. Als Anteil an der gesamten
Wirtschaftsentwicklung (BIP) gemessen betrugen diese im Vor-Pandemie-Jahr 2019
bereits 29,3 Prozent[1]. Vom finanziellen Kuchen der österreichischen
Staatsausgaben nahmen sie im selben Jahr sogar 41,5 Prozent ein[2]. Es flossen
somit ganze 41 Cent von jedem Euro Staatsausgaben in die sozialen
Sicherungsnetze. Durch die Coronakrise gab es noch einmal einen sprunghaften
Anstieg und die Sozialausgaben erreichten laut Statistik Austria im Laufe des
Jahres 2020 satte 34,1 Prozent des BIP und damit ihren bisherigen
Höchststand[3]. Zwar ist zu erwarten, dass es in den Folgejahren nach Ende der
Pandemie zu einem Rückgang kommen wird (im Jahr 2021 betrug die Sozialquote
bereits wieder „nur“ 32,8 Prozent des BIP)[4], steigende staatliche
Verpflichtungen vor allem im Bereich der Pensionen, Gesundheit und Pflege
bleiben aber auch in Zukunft Ausgabentreiber.
Um all dies zu finanzieren, wurde bereits in der Vergangenheit neben einer stark
steigenden Abgabenquote ein immer größerer Schuldenberg angehäuft. Im Vor-
Pandemie-Jahr 2019 betrug dieser 70,6 Prozent des BIP.[5] 2021 erreichte man
nach den Ausgabenexzessen während der Coronapandemie einen Wert von 82,3 Prozent
des BIP – mehr als 20 Prozentpunkte über dem diesbezüglichen Maastricht
Grenzwert.[6] Im Vergleich zu Österreich schaffte es Schweden nach Einführung
einer Ausgabenbremse in den 90ern seine Staatsverschuldung von einem Wert um die
70 Prozent zu halbieren und damit die Interessen und den finanziellen
Handlungsspielraum nächster Generationen zu wahren.
Wir JUNOS - Junge Liberale NEOS anerkennen die moderne Errungenschaft effektiver
sozialer Sicherungsnetze, welche es allen Bürgerinnen und Bürgern ermöglichen,
ihr Leben geschützt vor Schicksalsschlägen und herkömmlichen Lebensrisiken in
Freiheit und größtmöglicher Unabhängigkeit zu gestalten. Gleichzeitig ist es für
uns Liberale selbstverständlich, dass jedes Mitglied der Gesellschaft die
Pflicht hat, diese Netze nur so lange und in einem Ausmaß in Anspruch zu nehmen,
die seiner unverschuldeten Notlage und/oder seinen vorherigen Beitragszahlungen
entspricht. Neben dieser Verpflichtung des Einzelnen gibt es aber auch eine
Verpflichtung des Staates, seine eigentlichen Kernaufgaben der Aufrechterhaltung
der öffentlichen Ordnung, Sicherheit und Verwaltung sowie wichtige
Zukunftsinvestitionen nicht zugunsten erhöhter Sozialausgaben und Konsums in der
Gegenwart zu vernachlässigen.
Gerade Letzteres droht ansonsten zu einem Mühlstein für nächste Generationen zu
werden, die sich nicht mehr auf die sozialen Sicherungssysteme verlassen können
werden, wenn sie diese einmal brauchen. Als JUNOS - Junge Liberale NEOS sehen
wir es als unsere liberale Pflicht an, uns für generationenübergreifende
Fairness und nachhaltige staatliche Sozialsysteme einzusetzen, welche die
Freiheit und Rechte der Nachgeborenen achten.
Aus diesen Gründen setzen wir uns für die Einführung einer Ausgabenbremse im
Verfassungsrang ein. Diese ist in die Systematik einer ebenso
verfassungsrechtlich abgesicherten Schuldenbremse einzufügen und hat vorzusehen,
dass das jährliche Budget des Bundes im Rahmen eines fünfjährigen Haushaltsplans
zu erstellen ist, in welchem den einzelnen Ressorts maximale Ausgabensummen
zugewiesen werden. Gesamtstaatlich darf das Ausgabenwachstum hierbei nicht die
Teuerung übersteigen solange die Verschuldung den Wert von 60 Prozent des BIP (=
Maastricht Grenzwert) nicht unterschreitet.[7]
Daneben und aufgrund der herausragenden Bedeutung dieses Ausgabenbereichs treten
wir dafür ein, dass die gesamtstaatlichen Sozialausgaben den Wert von 40 Prozent
an den staatlichen Ausgaben über einen Konjunkturzyklus nicht überschreiten
dürfen. Dies ist ebenfalls in einer Verfassungsbestimmung festzuschreiben. Ein
zu implementierender Konsultationsmechanismus mit Ländern, Gemeinde- und
Städtebund soll die notwendige Abstimmung der Gebietskörperschaften in beiden
Fällen sichern.
Durch den damit geschaffenen Druck zur Ausgabensenkung und -konsolidierung
erhoffen wir uns den politischen Willen für überfällige Strukturreformen, vor
allem im Sozialbereich. Notwendig sind insbesondere eine generationengerechte
Pensionsreform, das Abstellen von Privilegierungen für gewisse potente
Interessengruppen sowie die Erhöhung der sozialen Treffsicherheit ebenso wie die
Vereinfachung und Effizienzsteigerung der weiteren Systeme sozialer Absicherung.
Steuer- und Abgabenobergrenze als Schutzschirm der
Steuerzahler
So wie die Sozialausgaben wächst auch die Steuer- und Abgabenquote Österreichs
sukzessive seit Jahrzehnten mit wenigen Intervallen kurzfristiger
Abgabenentlastungen. Im Vor-Pandemie-Jahr 2019 lag diese bei ganzen 43,2 Prozent
des BIP[8]. Dieser Wert stieg 2021 im (hoffentlich) letzten Pandemie-Jahr auf
43,7 Prozent des BIP an[9]. Man befindet sich damit komfortabel im oberen
Drittel der Mitgliedsländer der Europäischen Union (gemäß leicht abweichendem
Wert der WKO)[10]. Allen Steuerreformen der letzten Jahre zum Trotz kommt man
dem Ziel einer Steuer- und Abgabenquote von unter 40 Prozent des BIP auch in
Zeiten der Hochkonjunktur kaum näher. Die Gründe sind ähnliche wie jene für die
beständig steigenden Sozialausgaben. Es ist einerseits politisch unpopulär, die
notwendigen ausgabenseitigen Reformen in die Wege zu leiten, um den finanziellen
Spielraum größerer Entlastungen zu schaffen. Andererseits gefielen sich
Regierungspolitiker verschiedenster Couleur dabei, alle drei, vier Jahre
kleinere Steuerreformen zu beschließen, die im Endeffekt nur die angehäuften
zusätzlichen Belastungen eben jener drei, vier Jahre ausgeglichen haben
(sogenannte „Kalte Progression“[11]). Zumindest Letzteres ändert sich nun
voraussichtlich durch die mit 01.01.2023 erfolgende (teil-)automatische
Abschaffung der Kalten Progression.
Wir JUNOS – Junge Liberale NEOS sind der Überzeugung, dass der Staat und die ihn
lenkenden Politiker eine moralische Verpflichtung haben, den einzelnen Bürger
nur in jenem Ausmaß zur Finanzierung des Gemeinwesens heranzuziehen, der
unbedingt notwendig ist, um wichtige Staatsfunktionen und Zukunftsinvestitionen
besorgen zu können. Die beständige Aushöhlung des Grundrechtes auf
Privateigentum, um damit kurzfristigen Konsum politischer potenter Wählergruppen
zu finanzieren, muss ein Ende haben.
Aus diesen Gründen setzen wir JUNOS - Junge Liberale NEOS uns für die Einführung
einer Steuer- und Abgabenobergrenze im Verfassungsrang ein. Budgetentwürfe des
Bundes dürfen nicht so ausgestaltet sein, dass sie zu einer Steuer- und
Abgabenbelastung führen, die den Wert von 40 Prozent des BIPs übersteigt. Um die
Steuer- und Abgabenquote in Zukunft über diesen Wert anheben zu können, ist eine
vorherige Beschlussfassung beider Parlamentskammern (Nationalrat, Bundesrat)
vorzusehen, welche ein erhöhtes Präsenzquorum von 50 Prozent und ein
Konsensquorum von 2/3 der Abgeordneten zum Nationalrat bzw. Mitglieder des
Bundesrates verlangt.
Durch die Selbstbindung der Politik und Entziehung dieser Angelegenheiten aus
dem politischen Alltagsdiskurs erhoffen wir uns einen erhöhten Fokus auf die
Effizienzsteigerung und Verschlankung des Staates sowie Attraktivierung des
Wirtschaftsstandortes und das Abstellen politischer Taktiererei auf dem Rücken
der Steuerzahler und nächsten Generationen.
[1]https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-
soziales/sozialleistungen/sozialquote-sozialausgaben-und-finanzierung
[2]https://www.statistik.gv.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-
finanzen/oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/staatsausgaben-nach-
aufgabenbereichen
[3]https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-
soziales/sozialleistungen/sozialquote-sozialausgaben-und-finanzierung
[4]https://www.statistik.at/statistiken/bevoelkerung-und-
soziales/sozialleistungen/sozialquote-sozialausgaben-und-finanzierung
[5]https://www.statistik.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-
finanzen/oeffentliche-finanzen/maastricht-indikatoren/oeffentlicher-
schuldenstand
[6]https://www.statistik.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-
finanzen/oeffentliche-finanzen/maastricht-indikatoren/oeffentlicher-
schuldenstand
[8]https://www.statistik.gv.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-
finanzen/oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/steuereinnahmen
[9]https://www.statistik.gv.at/statistiken/volkswirtschaft-und-oeffentliche-
finanzen/oeffentliche-finanzen/oeffentliche-finanzen/steuereinnahmen
[11]https://www.agenda-austria.at/publikationen/damit-sich-arbeit-wieder-
lohnt/die-kalte-progression-die-heimliche-geliebte-des-finanzministers/
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