Veranstaltung: | XXVI. Bundeskongress |
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Tagesordnungspunkt: | 11.2. Weitere Anträge |
Antragsteller*in: | Philipp Pichler, Peter Berry, Anna Stürgkh, Paul Bauer |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 26.10.2022, 18:20 |
A1: Offene und lebendige Bundesmuseen
Antragstext
Die Bundesmuseen sind die größten musealen Institutionen des Landes und als
Bewahrer der Sammlungen der Republik ein Aushängeschild österreichischer
Museumspolitik. Als wichtige Einrichtungen unserer liberalen Demokratie öffnen
sie Räume für vielfältige, inklusive und kritische Perspektiven auf unsere
gemeinsame Geschichte. Als öffentliche Orte des Wissens, der Forschung und
ihrer Vermittlung, und eines allgemeinen Kulturgenusses dienen sie dem
Gemeinwohl.
Damit sie diesen essentiellen gesellschaftlichen Auftrag erfüllen können,
braucht es einen neuen politischen Rahmen, der dieser Aufgabe Rechnung trägt:
Die Bundesmuseen werden von der Republik Österreich mit der Erfüllung eines
kulturpolitischen und wissenschaftlichen Auftrages betraut.[1] Für diese
Aufgabe erhalten sie einen finanziellen Ausgleich - die Basisabgeltung - in der
Höhe von 87.062.500 € pro Jahr.[2] Dieser Beitrag deckt jedoch nur etwa 50%
des finanziellen Bedarfs der jeweiligen Häuser ab.[3] Zudem ist die
Basisabgeltung nicht valorisiert; sie wird also nicht an die Teuerungsrate
(Inflation) angepasst. Damit stehen die Bundesmuseen seit ihrer Ausgliederung
2002 vor der großen Herausforderung, einen unverhältnismäßig hohen Betrag an
Eigenmittel lukrieren zu müssen.
Der seit 2002 veränderte politische Rahmen hat neben erfreulichen Effekten, wie
einer Effizienzsteigerung durch die Selbstverwaltung, auch sehr negative Effekte
hervorgebracht:
- Teure Einzeltickets, die seltene und nicht aus dem direkten
Museumsstandort (Wien) stammende österreichische Besucher_innen[4]
strafen.
- Eine Fokussierung auf die Maximierung der Besucherzahlen, was immer
schneller aufeinanderfolgende, teure (Blockbuster-)Ausstellungen zur Folge
hat.
Damit bleiben immer weniger Ressourcen für die kontinuierliche Erforschung und
Vermittlung der eigenen Sammlungen. Die Coronakrise hat zudem die Nachteile
dieses Systems offenbart: Bei ausbleibenden Besucherströmen sind die Museen
nicht mehr in der Lage, ihre Grundaufgaben zu erfüllen.
Wir JUNOS - Junge liberale NEOS sprechen uns daher für eine solide staatliche
Sockelfinanzierung der Österreichischen Bundesmuseen aus, die eine Erfüllung
der Kernaufgaben der Museen - Bewahrung, Erforschung und grundlegende
Vermittlung - jedenfalls sicherstellt. Zudem hat die längst überfällige
Valorisierung der Basisabgeltung zu erfolgen!
Im Sinne des informed policy making sprechen wir uns darüber hinaus für eine
regelmäßige Evaluation des Finanzierungsbedarfs der Museen und der
Sozialstruktur ihrer Besucher_innen im 5 Jahres Rhythmus aus. Diese Erhebung
soll die Faktenbasis für eine mögliche Erhöhung der Basisabgeltung bilden und
eine möglichst inklusive Ausrichtung der Museen sicherstellen.
Die öffentliche Sockelfinanzierung kann jedoch nur einen Teil der Finanzierung
ausmachen.
Daher sprechen wir uns für das verstärkte Anwerben privater Spendengelder aus.
Unbeschadet der öffentlichen Finanzierung der Kernaufgaben soll damit ein
möglichst sparsamer Einsatz von Steuergeldern sichergestellt werden.
Die Bundesmuseen sollen dabei in Zukunft durch eine zentrale Stelle, angesiedelt
im entsprechenden Ministerium, unterstützt werden, die passende Spender_innen
an die Bundesmuseen vermittelt.
30% aller Museumsbesucher_innen kommen aus Österreich.[5] Von dieser Gruppe
leben wiederum 76% in Wien. Dieser Umstand hängt mit dem historisch gewachsenen
Standort der Bundesmuseen zusammen: Wien.[6] Die Bundeshauptstadt profitiert
damit jedoch überproportional vom Angebot der Bundesmuseen und von der durch
sie geschaffenen (in-)direkten Wertschöpfung.[7]
Unsere Vision sind Bundesmuseen, die das gesamte Bundesgebiet im Blick haben und
daher sprechen wir uns für die langfristige und nachhaltige Errichtung von
Dependancen (Zweigstellen) der Bundesmuseen in den Bundesländern aus.[8] Damit
schaffen wir nicht nur neue, moderne Ausstellungsflächen, sondern ermöglichen
einen faireren Zugang zu den Sammlungen der Republik und der von den
Bundesmuseen geschaffenen Wertschöpfung!
Über 40.000 Objekte aus dem Afrikanischen Kontinent mit potentiell
problematischer Provenienz befinden sich derzeit in den Sammlungen der Republik,
die von den Bundesmuseen verwaltet werden.[9] Im Gegensatz zur
Provenienzforschung auf Basis des Kunstrückgabegesetzes erfolgt die
Provenienzforschung bei kolonialgeschichtlichen Kontexten jedoch nur als Teil
der kuratorischen Arbeit. Die dafür zur Verfügung stehenden zeitlichen
Ressourcen sind damit stark vom Arbeitspensum der jeweiligen Kurator_innen
abhängig.
Als einer der Nachfolgestaaten der Österreichisch-Ungarischen Monarchie kommt
der Republik Österreich eine besondere historische und humanistische
Verantwortung zu, an der Aufarbeitung der eigenen und europäischen
Kolonialgeschichte mitzuwirken. Dazu gehört im besonderen Maße die Erforschung
der Provenienz von potentiell geraubten Sammlungsobjekten. Im Bewusstsein dieser
Verantwortung sprechen wir uns für die Schaffung eines (zusätzlichen)
Sonderbudgetpostens aus. Dieser ermöglicht kontinuierlich eine Aufarbeitung der
Provenienz dieser Objekte und schafft damit eine faktenbasierte Grundlage für
mögliche Restitutionen.
Aufgrund der besonderen Position der Bundesmuseen als öffentlich-finanzierte
und größte Player im österreichischen Museums- und Ausstellungssektor, sowie
als Gatekeeper zu den umfassendsten Sammlungen der Republik, kommt ihnen eine
besondere Verantwortung in der Ausbildung junger Nachwuchskurator_innen, -
kustod_innen und -vermittler_innen (etc.) zu. Derzeit ist die Museumslandschaft
überwiegend von schlecht bezahlten Praktikumsstellen und einer erschwerten
Zugänglichkeit geprägt.
Im Zuge der Anpassung der Basisabgeltung sprechen wir uns daher für die
Zweckwidmung eines Budgetteils aus, mit dem eine adäquate Bezahlung von
Praktika gesichert werden soll. Zudem sprechen wir uns für die Schaffung von
Wettbewerben aus, die besonders innovative Ausstellungs- und
Vermittlungskonzepte für Objekte der Sammlungen der Republik prämieren. Diese
Konzepte sollen in den Räumlich- und Verantwortlichkeiten der Bundesmuseen
umgesetzt werden.
Wir stellen damit gesunden Wettbewerb in den Vordergrund, belohnen Leistung und
öffnen innovativen Perspektiven auf die Sammlungen der Republik eine Tür in
die großen Institutionen Österreichs.
[2] Bundesmuseen-Gesetz 2002 idgF, § 5 Abs 4. Die Aufteilung dieser Gelder auf
die jeweiligen Häuser obliegt dem zuständigen Minister. 2018 entfielen auf die
einzelnen Häuser: Albertina 7.746.500 €, Österreichische Galerie Belvedere
8.969.500 €, KHM Museumsverband 23.841.500 €, MAK 9.660.500 €, MUMOK 9.587.500
€, NHM 14.693.500 € und TM 12.563.500 €.
[3] KHM-Museumsverband: Jahresbericht des KHM-Museumsverbandes, S. 64 und S. 78.
[4] Schloss Ambras in Innsbruck bildet als Teil des KHM-Museumsverbandes eine
Ausnahme.
[5] Kunst- und Kulturbericht des Bundeskanzleramtes 2018, S. 40-41.
[6] Schloss Ambras, Teil des KHM-Museumsverbandes, liegt in Tirol und bildet
eine Ausnahme.
[7]http://www.museen-in-
oesterreich.at/_docs/_statistiken/de/Museumsbund_Oesterreich_Zur_Lage_der_oester-
reichischen_Museen.pdf
[8] 2012 eröffnete der Louvre eine innerfranzösische Dependance in Lens, das als
Beispiel dienen kann.
[9] Anfragebeantwortung zu “Stand der Provenienzforschung und Restitution von
Kolonialkunst und kkolonialzeitlichen Museumsgegenständen vom afrikanischen
Kontinent” [341/AB vom 11.02.2020 zu 293/J (XXVII. GP)], S. 2-4.
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