| Veranstaltung: | Landeskongress Wien |
|---|---|
| Tagesordnungspunkt: | 10.b. Leitantrag des Landesvorstands |
| Status: | Beschluss |
| Beschluss durch: | Landeskongress |
| Beschlossen am: | 29.11.2025 |
| Basierend auf: | A1: Sozialhilfe bedarfsorientiert anpassen |
Sozialhilfe darf kein Lifestyle sein
Beschlusstext
Die Sozialhilfe, in Wien auch Mindestsicherung genannt, ist als letztes soziales
Fangnetz für die Verhinderung von Armut von größter Bedeutung. Für diese Art
der Unterstützung, welche des Weiteren die Teilhabe an der Gesellschaft und
einen Wiedereinstieg in die Erwerbstätigkeit ermöglichen soll, sprechen wir
uns entschieden aus.
Dennoch sprechen wir uns ebenso entschieden für eine Begrenzung der Sozialhilfe
auf die Existenzsicherung aus. Ziele, wie etwa die Ermöglichung der
Chancengleichheit für Kinder über die Sozialhilfe, oder eine Höhe der Beträge
für Erwachsene, welche über die Existenzsicherung hinausgehen, lehnen wir in
diesem Kontext ab. Auch sehen wir die Mindestsicherung als temporäres Fangnetz –
es muss zu jedem Zeitpunkt ein Anreiz für die Aufnahme der Erwerbstätigkeit
bestehen. Dazu sollen verpflichtende Beratungs- und Qualifizierungsangebote zur
Verfügung stehen, um den Übergang in den Arbeitsmarkt tatsächlich zu
ermöglichen.
Arbeiten zu gehen soll sich für jede:n im Vergleich zum Bezug der Sozialhilfe
lohnen.
Weiters sehen wir ein grobes Ungleichgewicht in der Verteilung von
Sozialhilfebezieher*innen in Österreich, das zumindest teilweise auf die im
nationalen Vergleich sehr großzügigen Beträge in Wien zurückzuführen ist.
In Wien wohnen 21,9% der in Österreich lebenden Bevölkerung und 68,3% der
Sozialhilfe beziehenden Bevölkerung. (Statistik Austria, 2023) Die Ausgaben der
Stadt Wien für die Mindestsicherung betragen mehr als das Doppelte aller
anderen Bundesländer zusammen. (Statistik Austria, 2023)
Während wir grundsätzlich eine einheitliche Regelung auf Bundesebene bevorzugen,
sehen wir bis dahin das Handeln auf Landesebene in Wien als beste Möglichkeit,
bestehende Missstände auszubessern. Natürlich kann und soll diese für Wien
vorgeschlagene Regelung auch den Diskussionen für eine einheitliche Regelung auf
Bundesebene als mögliches Modell dienen. Langfristig sollen die Sozialleistungen
aller Gebietskörperschaften ohnehin in einer gemeinsamen, bundesweiten Leistung
in Form des Liberalen Bürgergelds gebündelt werden.[1]
Um eine Sozialhilfe zur Existenzsicherung einzuführen, bedarf es zuallererst
einer Bestimmung der notwendigen Ausgaben, welche die Sozialhilfe decken sollte.
Dabei sollten die Lebenshaltungskosten empirisch ermittelt werden, in die
verschiedenen Kategorien aufgeteilt und am Ende zu einer Gesamtsumme in einem
Referenzbudget konsolidiert werden, welches die Höhe der Sozialhilfe bestimmt.
[1] Die Berechnung des Referenzbudgets muss dabei transparent und bis ins
kleinste Detail nachvollziehbar sein, um jederzeit eine Diskussion zu
verschiedenen Kostenpunkten zu ermöglichen und damit einen
gesamtgesellschaftlichen Konsens finden zu können. Andere Herangehensweisen,
wie etwa die Ermittlung der Armutsgefährdungsgrenze als Prozentsatz des Median-
Nettoeinkommens [2] oder anderer statistischer Kennzahlen lehnen wir in diesem
Kontext entschieden ab.
Anhand der evidenzbasierten und detaillierten Kostenaufstellung ist es jederzeit
möglich, einzelne Kostenpunkte durch Sachleistungen zu ersetzen und die Höhe
der als Geldleistung ausgezahlten Sozialhilfe dementsprechend zu reduzieren. [3]
Da dies die Treffsicherheit der Sozialhilfe erhöhen, und eine missbräuchliche
Verwendung verhindern kann, erachten wir es in gewissen Bereichen wie etwa der
Unterstützung von Kindern als sehr sinnvoll. Solch ein Vorgehen sollte jedoch
nicht in die ungerechtfertigte Bevormundung der Bezieher:innen, etwa durch die
direkte Ausgabe von Essen oder Kleidung münden.
Als einer der wichtigsten Kostenpunkte im Referenzbudget ist auf die
Unterstützung bei den Wohnausgaben besonderes Augenmerk zu legen. Dabei gibt es
derzeit eine Mietbeihilfe, welche sozialhilfebeziehende Personen, und besonders
jene mit Kindern zusätzlich unterstützen, und die Wohnbeihilfe, welche
Menschen mit geringem Einkommen unterstützt. Diese Herangehensweise, die
Wohnkosten im Rahmen des Referenzbudgets zu decken und gemäß der Anzahl an
Kindern zusätzlich mit der Mietbeihilfe zu unterstützen befürworten wir.
Dabei ist jedoch eine Harmonisierung zwischen Mietbeihilfe und Wohnbeihilfe
anzustreben, damit durch den Übergang von Sozialhilfe zu Erwerbstätigkeit
keine Nachteile entstehen können, und stets ein signifikanter finanzieller
Mehrwert aus der Erwerbstätigkeit entsteht. Auch sollten Erwerbstätige in der
Auswahl einer Gemeindebau- oder geförderten Wohnung Vorrang erhalten, damit
diese die attraktivsten Wohnungen beziehen können.
Gemeinnützige Arbeit als Grundlage für Bezug der Mindestsicherung
Für grundsätzlich arbeitsfähige Menschen, welche von der Allgemeinheit mit
der Sozialhilfe ihre Existenz gesichert bekommen, fordern wir eine Verpflichtung
zu gemeinnütziger Arbeit im Ausmaß von 8 Stunden pro Woche. Durch diese
Verpflichtung halten wir neben einer Gegenleistung für die Unterstützung durch
die Allgemeinheit eine bessere Reintegration in die Gesellschaft für möglich.
Auch gewährleistet dies eine leichte Überprüfbarkeit der Verpflichtung, sich
bei Bezug der Sozialhilfe in Österreich aufhalten zu müssen. Bei Missachtung
der Verpflichtung zu gemeinnütziger Arbeit ohne triftige Gründe ist die
Sozialhilfe bis zur Wiederaufnahme zu pausieren.
Sollte neben dem Bezug der Sozialhilfe eine illegale Beschäftigung festgestellt
werden, so ist die Sozialhilfe für den darauffolgenden Monat nicht
auszubezahlen. Bei wiederholten Vergehen sind längerfristige Streichungen der
Sozialhilfe anzuwenden. Kontrollen zur rechtmäßigen Anmeldung aller
Beschäftigten sind hierfür zu intensivieren.
Kein Kind darf in Armut leben. Dazu bekennen wir uns als JUNOS und fordern genau
wie für Erwachsene die empirische, detaillierte und vollständig
nachvollziehbare Erstellung von Referenzbudgets für Kinder. Dies sollte ebenso
eine Diskussion zur genauen Höhe der Beträge und damit einen
gesamtgesellschaftlichen Konsens bezüglich der Unterstützung von Kindern von
Sozialhilfe empfangenden Eltern ermöglichen.
Die Kosten von Kindern variieren je nach Alter und Anzahl der Kinder. Daher
befürworten wir die Erstellung von Referenzbudgets für verschiedene
Altersgruppen. Auch sehen wir je weiterem Kind geringere Kosten für die Eltern,
bspw. da Kleidung weitergegeben werden kann, weshalb wir uns für degressive
Beträge gemäß der Anzahl der Kinder aussprechen.
Eltern mit Anspruch auf Sozialhilfe erhalten ebenso wie alle Eltern die
Familienbeihilfe. Diese ist bei der Erstellung des Referenzbudgets für Kinder
zu berücksichtigen, um eine doppelte Förderung zu vermeiden.
Da Eltern in der Verwendung der Mittel, welche für ihre Kinder zur Verfügung
gestellt werden, frei sind, ist hier die Treffsicherheit nicht unbedingt
gegeben. Damit die Mittel auch tatsächlich bei Kindern landen, sollte das
Referenzbudget so weit wie möglich als Sachleistung ausgezahlt werden. Dabei
sehen wir Mahlzeiten in der Schule, Zeitkarten für den ÖPNV und die direkte
Übernahme von Sportvereinsbeiträgen als geeignete Möglichkeiten, die
Treffsicherheit der Sozialhilfe für Kinder zu erhöhen, damit diese auch
tatsächlich davon profitieren.
[1] Weg mit der Mindestsicherung & den Pflichtversicherungen – her mit dem
liberalen Bürgergeld!, beschlossen durch den XIV. Bundeskongress
[3] Mut zur Freiheit: Unsere Vision für ein besseres Österreich, beschlossen
durch den XXVIII. Bundeskongress
